Denkmal-Debatte

Sehnsucht nach Vereindeutigung? Warum wir 2021 über Denkmäler sprechen

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Markus Zürcher, Generalsekretär SAGW, aktualisierte Version vom 10. Mai 2021

In autokratischen Staaten dienen sie dem Personenkult und Heroismus, in sich formierenden Staaten versinnbildlichen sie die Entstehungsgeschichte. In den meisten Gesellschaften galten Denkmäler aber bis vor Kurzem als aus der Zeit gefallen und waren teilweise nur mehr für das Standortmarketing und den Tourismus von gewisser Bedeutung. Warum also sprechen wir plötzlich wieder über steinerne, gusseiserne, bronzene Monumente? Warum gehen Bilder von gestürzten, bemalten und verhüllten Statuen durch die Medien?

Warum gehen Bilder von gestürzten, bemalten und verhüllten Statuen durch die Medien?

Denkmäler wollen konkrete Botschaften vermitteln

Denkmäler stehen einem Kunstverständnis entgegen, das seit dem zweiten Weltkrieg dominiert: Die Interpretation liegt im Auge des Betrachters. In diesem Verständnis wird der Wert eines Objektes nicht an dessen Gestaltung und Aussage gemessen, sondern an der Authentizität des Künstlers, der Schafferin. Hand in Hand mit dem architektonischen Brutalismus beförderte dieses Verständnis die Abstraktion und Inhaltslosigkeit von Kunstwerken. So zeichnen sich Skulpturen in den Hallen von Banken, Versicherungen und im öffentlichen Raum durch die Reduktion von Farben, Formen und Gegenständlichkeit aus. Sie sind so befreit von Bedeutung, dass es in glatte, vorzüglich weisse Flächen und in einen abstrakten Purismus mündet.1 Denkmäler hingegen wollen mittels Allegorien, Symbolen und Personen sowie Standorten vielfältige, konkrete Botschaften vermitteln: Niederlagen, Erfolge, Errungenschaften, Ereignisse, Würdigungen, aber auch Werte, Einstellungen, Mentalitäten und Gefühlslagen.

Hand in Hand mit dem architektonischen Brutalismus beförderte dieses Verständnis die Abstraktion und Inhaltslosigkeit von Kunstwerken.

Warum jetzt, warum hier? Denkmal-Boom zwischen 1870 und 1914 in der Schweiz

Subsumieren könnte man Denkmäler unter «Erinnerungskultur». Die Funktion des Erinnerns und gegen das Vergessen greift jedoch zu kurz. In einer Schriftkultur wie der unsrigen benötigen weder der Tell noch Jean-Jacques Rousseau, Johann Heinrich Pestalozzi oder selbst Dorothea von Flüe Denkmäler, um nicht vergessen zu werden. Zahlreiche Denkmäler wurden zudem erst Jahrzehnte und teilweise Jahrhunderte später für Personen und Ereignisse errichtet. Sie stellten Präsenz und Repräsentation im Alltag her, im damaligen «Hier und Jetzt». Die Bedeutung von Denkmälern erschliesst sich deshalb nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der jeweiligen Gegenwart, in der sie erstellt wurden.

Die Bedeutung von Denkmälern erschliesst sich deshalb nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der jeweiligen Gegenwart, in der sie erstellt wurden.

Hochkonjunktur hatten die Denkmäler zwischen 1870 und 1914. Die These liegt nahe, dass sie als Alternative zu den Prunkbauten des früheren patrizisch-aristokratischen Regimes neu den bürgerlichen Nationalstaat und die Errungenschaften seiner Gesellschaft repräsentieren sollten. In der Zwischenkriegszeit (1918-1939) wiederum standen Denkmäler im Zeichen der äusseren Bedrohung und der geistigen Landesverteidigung. Sie waren thematisch auf die Wehrhaftigkeit und die alte Eidgenossenschaft reduziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg flachte der Denkmal-Boom ab.

Soziale Bewegungen kommunizieren mit und durch Denkmäler

Wie bei allen materiellen oder in anderer Form tradierten Wissensformen ragt die Vergangenheit in die Gegenwart. In Stein gemeisselt oder in Bronze gegossen, transportieren Denkmäler Vergangenes scheinbar statisch. Sie können, obschon materiell präsent, über Jahrzehnte und länger in der Bedeutungslosigkeit verloren sein – bis ihr Sinn, ihr Gehalt und ihre Botschaft in kürzester Frist positiv oder negativ neu aufgeladen werden.

Wird die Politik ausserhalb der Institutionen auf die Strasse getragen, kann man beobachten, dass regelmässig mit Denkmälern kommuniziert wird: Vor und nach Demonstrationen etwa werden Denkmäler als Aufhänger und Blickpunkte für Parolen und Botschaften genutzt. Die statischen Figuren und Allegorien werden durch soziale Bewegungen, in letzter Zeit die Frauen- und Jugend- und schliesslich die Black-Lives-Matter-Bewegung, inhaltlich aufgeladen und dynamisiert: Die Frauenbewegung bemalten Personendenkmäler mit violetter Farbe und verpassten ihnen Büstenhalter und Mini-Jupes. Die Jugendbewegung deckte die mehr oder weniger farblosen Denkmäler gegen das «Packeis» und das «Grau» nicht zu knapp vielfarbig ein. Die Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA stürzte schliesslich Denkmäler für Sezession-Generäle vom Sockel. Bekanntlich schwappte die Bewegung auch nach Europa über.

Weshalb die Kommunikation sozialer Bewegungen mit Denkmälern gerade jetzt wieder sichtbarer wird, ist nicht zufällig: Seit den Bürgerbewegungen in den 1960er-Jahren haben sich die Lebensverhältnisse der Afro-AmerikanerInnen teilweise verbessert. Dennoch leben sie häufig weiterhin in segregierten Gesellschaften. Viele Statistiken zeigen, dass sich seit der Übernahme des Präsidiums von Donald Trump die Lebensbedingungen dieser Bevölkerungsgruppe zum ersten Mal wieder Jahr für Jahr verschlechterten: Die gegenwärtigen, aktuellen Entwicklungen und Verhältnisse haben die Denkmäler politisch aufgeladen und dynamisiert.

Die gegenwärtigen, aktuellen Entwicklungen und Verhältnisse haben die Denkmäler politisch aufgeladen und dynamisiert.

Es geht nicht um die Vergangenheit, sondern um die Gegenwart und die Zukunft!

Gerade wegen ihrer politischen Bedeutung und kommunikativen Kraft sollten wir uns mit Denkmälern befassen. Es geht nicht um das Denkmal als sich, sondern um unser Verständnis von uns selbst im Hier und Jetzt. Selbstverständlich kann man dem Denkmal je nach Situation sehr unterschiedlich begegnen: Man kann es mit Gleichgültigkeit als Teil des Orts- und Stadtbilds wahrnehmen; als mehr oder weniger gelungenes Kunst- und Kulturobjekt; als vergegenwärtige Vergangenheit zum Gedenken an Ereignisse, Personen und Errungenschaften, die reflektiert und kontextualisiert werden; oder als Provokation.

Die Meinungen zu Denkmälern öffnen ein weites Spektrum: Die einen wollen sie entfernen, weil sie überkommene, obsolete Geschichtsbilder transportieren, Ungerechtigkeiten, Ausbeutern, Unterdrückern und Kriegsverbrecher würdigen. Andere fordern eine vertiefte Reflexion und wieder andere erkennen in der gegenwärtigen Debatte einen geschichtsvergessenen Hypermoralismus, monieren schliesslich eine von der «Political Correctness» angetriebene «Cancel Culture», die alles ausschalten will, was nicht dem Zeitgeist entspricht. Auf jeden Fall hat die Debatte – auch – mit einer Sehnsucht nach Vereindeutigung und Vereinfachung zu tun, die einhergeht mit einer geringen Ambivalenz-Toleranz. In welchem Ausmass dies den gesellschaftlichen Aushandlungsprozess prägt, bleibt uns noch zu erfahren.

1Bauer, Thomas (2018): Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt, Stuttgart, S. 41 – S. 49.

Expert*innen-Texte

Hier werden Texte von Historikern, Medienwissenschaftlerinnen, Kulturwissenschaftlerinnen und weiteren Geistes- und Sozialwissenschaftlern aufgeschaltet.

Ironie der Geschichte: Weshalb Pro-Contra-Debatten über Denkmäler oft irreführend sind

Jörg Scheller , Kunstwissenschaftler ZhdK, 15. März 2021

In den Diskussionen über Sinn und Zweck bestimmter Denkmäler fällt eines auf: Die Auseinandersetzungen drehen sich tatsächlich um bestimmte Denkmäler. Und zwar nur um sie. Die jeweiligen Objekte werden als isolierte Zeichen betrachtet, die auf etwas ganz bestimmtes verweisen; meist auf eine Figur der Geschichte, die von den Einen abgelehnt, von den Anderen gutgeheissen, von wieder Anderen mit Gleichgültigkeit übergangen wird. Man debattiert: Soll Denkmal W weg? Kann Denkmal X ohne Kommentar so stehenbleiben? Ist Denkmal Y tatsächlich unproblematisch? Und warum fehlt Denkmal Z bislang? Dabei spielt der räumliche Zusammenhang, in dem die jeweiligen Objekte stehen, kaum eine Rolle.

Wenn es in den jüngeren Geistes- und Sozialwissenschaften einen Konsens gibt, dann der, dass spezifische Gegenstände stets in ihren konkreten räumlichen und zeitlichen Kontexten analysiert werden sollen. Räsonierte man im 19. Jahrhundert über herausragende Meisterwerke, als existierten sie im luftleeren Raum, so analysiert man heute Werke aus Kunst und Kultur unter anderem mit Blick auf ihre Standorte: Dass die eine Skulptur in einem Museum steht und die andere in einem Park, macht einen Unterschied. Dass das eine Museum ein postmoderner Bau und das andere ein klassizistischer ist, verändert den Blick auf die Werke. Und ob ich ein Werk des Mittelalters inmitten von Werken des Mittelalters präsentiere oder es in der Abteilung für moderne Kunst platziere, wie es seit einiger Zeit üblich ist, hat Auswirkung auf Bedeutungen und Deutungen.

Denkmäler in Interaktion

In der Philosophie spricht man von «Konstellationsforschung» als Methode, um die Entstehung von Theorien aus einem konkreten Denkraum heraus zu untersuchen. In diesem Denkraum interagieren verschiedene Menschen, bekannte und weniger bekannte, und auch scheinbar unbedeutende Details spielen eine Rolle. Wie wäre es, diesen Ansatz für die Debatte über Denkmäler fruchtbar zu machen? Dabei würde es weniger darum gehen, die Ent-stehung von Denkmälern zu untersuchen. Sondern darum, ihre «Stehung» zu verstehen: Wo stehen die Objekte eigentlich? In welchen Konstellationen mit Bauten, Shops, Werbeplakaten, Passanten? Wie interagieren menschliche und nicht-menschliche Wesen mit den Denkmälern? Eine solche Herangehensweise weitet den Blick, ist lebensnah und schützt vor einer essenzialistischen Perspektive.

Vorausgeschickt sei, dass es im Folgenden nicht um Denkmäler von Nazi-Schergen oder Kommunisten-Schlächtern geht, bei denen klar ist, dass sie allenfalls im Museum etwas verloren haben. «Hard cases make bad law» – in den meisten Fällen diskutieren wir über Mehrdeutiges und müssen eine Güterabwägung vornehmen. Genau in diesem Zusammenhang ist es von Vorteil, die lebensweltliche Einbettung von Denkmälern zu berücksichtigen; sie als Knotenpunkte in dynamischen Kommunikationsnetzen zu begreifen.

Ein Denkmal für die Entrechteten im Bahnhofstransit

Als Beispiel könnte man an den Bahnhof Biel denken. Vor dem neoklassizistischen Gebäude steht seit 1981 die Bronzeplastik «Vertschaupet» (1979–80) von Schang Hutter. «Vertschaupet» ist Mundart und bedeutet «zertreten». Der Titel charakterisiert das Ensemble der cartoonartigen Figuren, die da stellvertretend für alle Zukurzgekommenen, Entrechteten, Geschundenen, Übersehenen stehen und liegen – übersehen, das werden sie in der Tat häufig, ist der Bahnhofsvorplatz doch für die meisten Menschen ein Ort des Transits, nicht des Verweilens. Die wenigen, die verweilen, sind im Grunde die, die Hutter darstellt – die Gescheiterten, die Trinker, die Vagabunden jeden Geschlechts. Was für eine Ironie des Schicksals, genauer: des «Machsals» (Odo Marquard).

«So könnte ein kritischer Betrachter einwenden: In dieser Konstellation ist Hutter doch nur eines jener politisch korrekten Feigenblätter, mit dem sich der Kapitalismus so gerne schmückt!»

Hutters Kunstwerk dürfte ganz nach dem Geschmack von Linksprogressiven wie auch mildtätigen Religiösen sein, zeigt es doch nicht nur die Schattenseiten der Macht, es befindet sich auch auf gleicher Augenhöhe wie die Betrachterinnen und Betrachter. Wunderbar, hier haben wir es, das ideale demokratisch-egalitäre Kunstwerk! Allein, bei dieser Betrachtungsweise hätten wir das Objekt aus seinem Kontext gerissen, seine Wirkung auf idealistische Weise verabsolutiert und ausgeblendet, dass es Teil eines hybriden Gefüges ist. So könnte ein kritischer Betrachter einwenden: In dieser Konstellation ist Hutter doch nur eines jener politisch korrekten Feigenblätter, mit dem sich der Kapitalismus so gerne schmückt!

Direkt neben Hutters mahnendem, zu Empathie anregendem Kunstwerk thront eine überdimensionierte Rolexuhr auf einer Stele. Ein paar Meter weiter befinden sich eine Filiale von McDonald’s und eine von Western Union. McDonald’s ist das Wahrzeichen des US-amerikanischen Kapitalismus, von «Shitty Little Jobs» und von coronarisikoerhöhender Ernährung schlechthin, während Western Union und ähnliche Dienste für Auslandsüberweisungen mit Geldwäsche in Verbindung gebracht werden.

Rezeption ist Produktion: der wache Blick des Flaneurs

Was ist sinnvoller? Über McDonald’s und Schang Hutter jeweils isoliert zu diskutieren oder die komplexe, schmutzige, widersprüchliche Realität in den Blick zu nehmen – eine Realität, in der sich die beiden einen Raum teilen und irgendwie interagieren müssen? Wie man im Museum gelernt hat, dem Getuschel der Werke untereinander zu lauschen, so sollte man auch im städtischen Raum die Gesamtheit seiner Elemente aufeinander beziehen. Konstellation, Kommunikation, Rezeption, Interaktion – jede Debatte über Denkmäler, die diese Faktoren nicht einbezieht, ist unterkomplex. Überhaupt wäre es angebracht, stärker auf Rezeptionsmodi statt nur auf starre Verweisungszusammenhänge zu fokussieren: X bedeutet Y. That’s it. Nein – Denkmäler werden gesehen, Bücher werden gelesen, Musik wird gehört. Erst in der Kommunikation entsteht das Kommunizierte. Man kann Progressives auf regressive, unkritische Art und Weise verehren, wie man umgekehrt Regressives durch progressive, kritische Rezeptionsformen konterkarieren kann.

Wer nur im Ja-Nein-Modus über Abreissen, Stehenlassen oder Neuaufstellen diskutiert, dem entgeht der von Walter Benjamin in seinen Texten über den Flaneur beschworene, latente Reichtum des städtischen – aber natürlich auch dörflichen – Raums – ein Reichtum, der zutiefst ironisch ist, insofern alle Dinge, wenn man sie erst einmal in ihren Konstellationen wahrnimmt, eine andere Bedeutung annehmen als die ihnen zugedachte.

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Frauen und Denkmäler

Lina Gafner, Historikerin und Projektleiterin von Stadt.Geschichte.Basel, 31. März 2021

Ist der Frauengeschichte Genüge getan, wenn den Eschers und Tells auf den Sockeln weibliche Pendants gegenübergestellt werden?

Wir kennen die historischen oder legendären Männer, die wir kennen sollen: den opferbereiten Winkelried, den klugen von Flüe, den mutigen Tell oder den erfolgreichen Escher.

Sie verfügen über ein historisches Datum, über einen Abschnitt in der Geschichte, den sie überlieferungsgemäss prägten. Sie stehen für historische Brüche, für menschliche Handlungsfähigkeit, für Fortschritt: Ihnen wird zugeschrieben etwas getan, etwas gesagt und damit den Lauf der Geschichte verändert zu haben. Sie rufen dem (männlichen) Betrachter zu: Sei wie ich! Sei einzigartig! Sei frei in deinen Entscheidungen! Sei ein guter Bürger!

Nur wenige Frauenskulpturen, die uns im öffentlichen Raum begegnen, sind historische Subjekte. Die meisten sind in ihrer Gestaltung recht einheitliche weibliche Gesichter und Körper, meist teilweise nackte, symbolhafte und über der Geschichte schwebende Gestalten. Sie stehen nicht für den historischen Bruch, das historische Handeln, sondern im Gegenteil für bleibende und einende Werte, für Heimat und das zu verteidigende Territorium. Sie scheinen direkt einer männlichen Phantasiewelt entsprungen zu sein.

Vereinzelte Heldinnen

Schon im 19. Jahrhundert verlangten Frauenorganisationen mehr weibliche Heldinnen im öffentlichen Raum und diese Forderung tauchte im Kontext einer jeden Frauenbewegung wieder verstärkt auf. Gertrud Stauffacher bekam schliesslich im Nationalratssaal einen Platz an der Seite des Tell: er als Symbol für die Tat, sie als Symbol für die gute Idee (die sie ihrem Mann eingegeben hat). Eine Statue von Dorothea von Flüe wurde im Jahr des ersten Frauenstreiks 1991 durch den Bund Katholischer Bäuerinnen gestiftet. Dorothea hatte 10 Kinder zur Welt gebracht, bevor ihr Mann Niklaus von Flüe beschloss, die Familie zu verlassen, um Eremit zu werden. Sie steht auf dem Friedhof von Sarnen, von drei Kindern umringt. Doch solche weiblichen Heldinnen bleiben vereinzelte Punkte in der Landschaft.

Seit den 1980er-Jahren hat sich die Tradition der subversiven Umdeutung und Umgestaltung bestehender Denkmäler etabliert. Männlichen Figuren werden Schürzen umgebunden und Puppen in die Arme gelegt. Farbe und ganz andere Themen als Krieg und Individualismus kommen ins Spiel, wenn sich Frauen Denkmäler aneignen und sie temporär umgestalten.

Der Mangel an weiblichen Statuen spiegelt zweifellos den gerade in der Schweiz hartnäckigen Ausschluss der Frauen aus der politischen Sphäre und aus dem Geschichtsbewusstsein. Initiativen wie «100Elles*», die anregen, weibliche Pionierinnen mit Strassennamen zu ehren, können eine gewisse Abhilfe schaffen und die Präsenz weiblicher Namen zur Norm erheben. Doch es stellt sich die Frage, ob der Frauengeschichte Genüge getan ist, indem einzelne Frauen ausgewählt, auf den Sockel gehoben und so den Eschers und Tells, den Repräsentanten einer männlich geprägten Erinnerungskultur, gegenübergestellt werden.

Kollektives Handeln

Zur Klärung beitragen könnte Hannah Arendts Unterscheidung des agonalen und des assoziativen öffentlichen Raums, den die US-amerikanische Politphilosophin Seyla Benhabib 1994 in Erinnerung gerufen hat: Der agonale Raum ist ein Raum des Wettstreits um Beifall, ein Raum der Individualität, des einzelnen Bürgers und des Pioniers inklusive Namen und Lebensdaten auf dem Sockel. Der assoziative Raum hingegen ist ein Raum, in dem kollektives Handeln stattfindet, in dem sich Gleichgesinnte zusammenschliessen, Bezüge herstellen, solidarisch sind. Die Geschichte der Frauen ist immer auch eine Geschichte der Bewegungen gewesen. Jede Frau ist anders, ja, aber gemeinsam haben Frauen viel erreicht.

«Die Geschichte der Frauen ist immer auch eine Geschichte der Bewegungen gewesen. Jede Frau ist anders, ja, aber gemeinsam haben Frauen viel erreicht.»

Das Verhältnis der Frauen zum öffentlichen Raum hat die Geschichte der Frauen strukturiert. Ein durch viele Formen des Ausschlusses geprägtes Verhältnis, das von der Verweigerung politischer Teilhabe über unterbewertete weibliche Stimmen im öffentlichen Diskurs bis zur Gewaltandrohung reicht. Denn auch heute noch wächst jede junge Frau mit der Warnung vor einsamen Strassen und dunklen Ecken auf. Frauen haben sich Zugang zu politischen Rechten, zu sozialer Absicherung und zum Recht, über ihren Körper zu bestimmen, erkämpft. Diese Kämpfe markierten immer auch ein neues Verhältnis zum öffentlichen Raum: Frauen verlangten Mitsprache, begannen Hosen zu tragen, Zigaretten zu rauchen, besetzten Plätze und zogen in Massen durch Strassen, sie stillten demonstrativ in der Öffentlichkeit und zeigten ihre Körper so, wie es ihnen gefiel.

Wer bestimmt, wie Geschichte erinnert wird?

Für die Frauenbewegungen ist kollektives, soziale und politische Grenzen übergreifendes Handeln immer wichtig gewesen. Doch wie können Frauen als kollektive historische Subjekte sichtbar gemacht werden? Wie könnte etwa der Frauenstreik 2019 in der Schweiz erinnert werden? Die Bäuerinnen in den Liegestühlen? Der befreite Ausdruck in den Gesichtern der zahllosen Frauen, die den öffentlichen Raum ganz für sich reklamierten? Die politische Leistung, über Gräben hinweg für einen Tag das Gemeinsame hervorzuheben?

Es geht nicht nur um die Repräsentation von Frauen in einer durch männliche Erinnerungskultur geprägten Denkmallandschaft. Vielmehr sollten wir uns auch fragen: Wer bestimmt, wie Geschichte erinnert wird? Braucht es dafür Geld, politischen Einfluss, ein Komitee? Und wir sollten uns, bevor wir nach wichtigen Namen suchen, fragen, woran und wie wir uns erinnern wollen und wie die Erinnerung unseren Lebensraum prägen soll. Kurz: Wie Frauen ihrer Geschichte im öffentlichen Raum begegnen möchten.

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Ein altes Problem: zum Umgang mit missliebigen Statuen in der Spätantike

Lorenz E. Baumer, Archäologe Uni Genf, 15. März 2021

«Seine Standbilder sind überall zu beseitigen, und sein Name ist von allen öffentlichen und nichtöffentlichen Denkmälern zu tilgen.»

Scriptores Historiae Augustae, Leben des Commodus, 20,3

Die Debatte über den Umgang mit Statuen problematischer Persönlichkeiten füllt seit einiger Zeit die Zeitungen und elektronischen Foren. In der Hitze der Diskussion wird gerne vergessen, dass es sich dabei um ein in der Geschichte wiederholt auftauchendes Thema handelt, dessen Anfänge in die Antike zurückreichen.

Die Erinnerung verdammen, aber ohne zu vergessen

Das erste, was einem dazu in den Sinn kommt, ist die berühmte Damnatio memoriae  (wörtlich: «das Verdammen der Erinnerung»). Doch die Parallele ist etwas zu schnell gezogen, denn der Begriff, der eigentlich erst aus dem siebzehnten Jahrhundert stammt, beschreibt ganz allgemein die römische Sorge um den posthumen Ruf. Die Massnahmen beschränkten sich nicht auf die Entfernung, Verstümmelung oder Zerstörung von Statuen des Verurteilten, sondern umfassten eine Reihe weiterer Möglichkeiten, wie z.B. das Verbot der öffentlichen Zurschaustellung von Wachsmasken des Verurteilten bei aristokratischen Begräbnisfeiern oder die Aufnahme seines Geburtstages in offizielle Liste der dies nefasti  («Unheilstage»). Letzteres verdeutlicht, dass darauf geachtet wurde, dass die Verdamnis als solche durchaus im öffentlichen Bewusstsein blieb.

Die Zerstörung ‘heidnischer’ Statuen

Das Aufkommen des Christentums brachte eine weitere Bedrohung für die Skulpturen mit sich, dies vor allem mit dem Edikt von Kaiser Theodosius I. aus dem Jahr 391, das den Nichtchristen den Besuch ihrer Tempel verbot und deren Schliessung vorschrieb. Nur wenige Monate später griff Theophilus, Bischof von Alexandria, mit einer Gruppe von Christen die kolossale Kultstatue des Sarapis an: «Man zerhackte sie nun in kleine Stücke und warf sie ins Feuer, den Kopf aber schleppte man durch die ganze Stadt, so dass seine Verehrer es sehen und sich über die Ohnmacht des von ihnen angebeteten Gottes lustig machen konnten» (Theodoret von Kyrrhos, Kirchengeschichte, V, 22).

Zerstörung mit göttlicher Hilfe

In Gallien ging der Heilige Martin von Tours, der 371 zum Bischof ernannt worden war, mit viel Inbrunst gegen den Götzendienst der Nichtchristen vor, doch erforderte dies nicht selten göttlichen Beistand: So entdeckte er in einem Dorf «eine Säule von enormer Grösse, auf der ein Götzenbild stand. Martin dachte daran, sie zu stürzen; doch verfügte er nicht über die Mittel, um sein Vorhaben auszuführen. Also wandte er sich, wie es seine Gewohnheit war, dem Gebet zu. Es ist eine bestätigte Tatsache, dass man eine Säule von etwa gleicher Grösse vom Himmel fallen sah, die das Götzenbild unter sich zermalmte und die ganze Steinmasse zu Staub verwandelte» (Sulpicius Severus, Dialoge IX).

Das Bild, das die literarischen Quellen zeichnen, ist allerding von der Sichtweise der Kirchenhistoriker geprägt, während die Funde von Skulpturen in archäologischen Kontexten desselben Zeitraums einen wesentlich differenzierteren Umgang mit den antiken Bildwerken belegen.

Ein gewisser Respekt vor dem kulturhistorischen Erbe

Bestätigt wird dies z.B. in Martigny durch die Entdeckung der sorgfältig vergrabenen Torsi zweier Marmorstatuen im Sommer 2011, wovon die eine Apollo mit seiner Kithara und die andere den sich auf seine Keule stützenden Herkules zeigt. Die Deponierung der Statuen in einer Erdgrube, die frühestens auf das Ende des 4. Jahrhunderts und damit auf einen Zeitpunkt zurückgeht, als das Christentum bereits fest in der Stadt etabliert war, zeugt von einem gewissen Respekt der Christen vor den antiken Bildwerken. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Statue des Apollo schon vor ihrem Vergraben kastriert wurde. Dem Herkules blieb diese Massnahme erspart, da er durch seine beschützende Rolle, die ihm auch von den Christen beigemessen wurde, davor geschützt war.

Einritzen statt Zerschlagen

Die Zerstörung und/oder das Vergraben waren jedoch nur die letzten Mittel im Umgang mit den alten Statuen: Neben der Verstümmelung der Geschlechtsteile war eine weitere gängige Massnahme das Einritzen von Kreuzen, vorzugsweise in den Augen, auf dem Mund oder auf der Stirn, um die heidnischen Dämonen zu bannen, die man im Inneren der Bildwerke vermutete. Solche Eingriffe ermöglichten es gleichzeitig, die Skulpturen wegen ihres Denkmalwertes zu erhalten. In die gleiche Richtung weist der Fall des Forums von Timgad (Algerien), wo eine große Anzahl von Statuen aus früheren Perioden zusammengetragen wurde, wie die erhaltenen Basen bezeugen. Dadurch verwandelte sich der Platz nach und nach in einen Erinnerungsort der Geschichte der Stadt.

Neue Köpfe auf alten Leibern

Eine weitere Möglichkeit, die Skulpturen zu erhalten, bestand darin, sie zu aktualisieren, indem man die Inschrift auf der Basis und vor allem den Kopf durch denjenigen einer aktuellen Persönlichkeit ersetzte. Dies ist etwa der Fall bei einer Ehrenstatue einer sitzenden Frau in Ephesos, die im 2. Jh. geschaffen wurde: Zwei Jahrhunderte später wurde das Werk zusammen mit gut hundert anderen Skulpturen verwendet, um die öffentlichen Bäder in der Nähe der Agora zu schmücken. Die Renovierung der Bäder wurde von einer gewissen Scholastika finanziert, einer Frau von offensichtlichem Wohlstand, deren Porträt von nun an dasjenige aus der Kaiserzeit ersetzte.

Im Unterschied zu den literarischen Quellen belegt die Archäologie somit einen differenzierten und sichtlich überlegten Umgang mit den alten Skulpturen in der Spätantike, was die oben zitierten Beispiele allerdings nur ansatzweise aufzeigen können.

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Die Unité d’archéologie classique der Universität Genf hat zum gleichen Thema einen kostenlosen Onlinekurs (MOOC) erarbeitet: « A l’avènement du christianisme : l’archéologie des derniers païens », zugänglich auf Coursera : https://www.coursera.org/learn/archeology

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In Stein gemeisselte Erinnerung? Denkmäler im digitalen Zeitalter

Larissa Hugentobler, Medienwissenschaftlerin Universität Zürich, 2. Februar 2021

Ein zehn Meter langer, sterbender Löwe, von Hand aus einem Sandsteinfelsen gehauen. In Luzern erinnert dieses Denkmal an die im Jahr 1792 in Paris gefallenen Schweizergardisten. Ein Löwe symbolisiert verstorbene Männer? Noch abstrakter ist das Grauholzdenkmal: Eine Säule mit Inschrift erinnert an die Schlacht am Grauholz von 1798. Konkret ist dafür die Statue des Bankiers David de Pury, dessen Ebenbild in Bronze gegossen auf einem Sockel im Neuenburger Stadtzentrum steht.

Egal wie abstrakt oder konkret: Diese altmodischen, in Stein gemeisselten Darstellungen dienen dazu, an etwas aus der Vergangenheit zu erinnern – einen Menschen, oder ein Geschehnis. Die beschränkte Anzahl Denkmäler erinnert jedoch nicht an alles und jeden (und vor allem nicht an jede). Diese Tatsache greifen auch die immer lauter werdenden Diskussionen zur Repräsentativität von Denkmälern auf. In den letzten Jahren sind Stimmen lauter geworden, welche beklagen, dass die Denkmalpolitik global zu restriktiv ist.

Eine ideologische Auswahl

Natürlich muss eine Auswahl getroffen werden, denn Ressourcen sind endlich: nicht überall ist Platz für ein Denkmal und die Bauwerke kosten Geld. Die Auswahl widerspiegelt jedoch keine neutrale Selektion aus der Vergangenheit. Indem man aussucht, wer mittels eines Denkmals unsterblich gemacht wird, entscheidet man, wer wichtig «ist». Daher reflektieren diese Denkmäler nicht nur eine Erinnerung, sondern eine Ideologie. Indem wir Motive der Vergangenheit aussuchen, machen wir eine Aussage darüber, was wir wichtig finden, wofür wir stehen, und was uns für die Zukunft wichtig ist. Denkmäler stehen also für viel mehr als nur Erinnerungen: Sie zeigen auf, welche Werte in einer Gesellschaft als wichtig gelten.

In den aktuellen Debatten um das Entfernen oder Stürzen von problematischen Gedenkstätten wird oft folgendes Argument laut: Den Statuen fehlt es an Kontext. Nehmen wir den eingangs genannten David de Pury. Der einflussreiche Mann hinterliess nach seinem Tod seiner Geburtsstadt Neuchâtel ein riesiges Vermögen. Das Geld stammte jedoch unter anderem aus dem Sklavenhandel. Das heisst nun nicht, dass man seinem Beitrag zum Schweizer Allgemeinwohl nicht gedenken kann, aber man kann dies nur ehrlich tun, indem man auch auf seine (in diesem Fall markanten) Schwächen hinweist. Mittels Informationstafeln kann so etwas gelöst werden, oder noch besser: Indem die Statuen in Museen wandern. Denn der springende Punkt ist: Während Museen ihre Ausstellungsstücke kontextualisieren und so Dinge zeigen können, welche spätestens aus heutiger Sicht als problematisch gelten, kann das ein Denkmal nur bedingt. Denn, wie eingangs erwähnt, bildet die Auswahl von erinnerungswürdigen Personen ein Statement dazu, was eine Stadt, eine Gemeinde, ein Staat für richtig und wichtig hält. Eine Plakette, die das relativiert, kann daran nicht viel ändern, denn die Präsenz im öffentlichen Raum ist das, was dem Denkmal seine Bedeutsamkeit gibt.

Denkmal-«Gerechtigkeit» im digitalen Raum?

Wie steht es nun um die Zukunft solcher Denkmäler? Ist es möglich, dass sie durch die zunehmende Digitalisierung verdrängt werden? Online könnten wir mit geringen Ressourcen viel mehr Menschen und Ereignisse erinnern und ehren. Zudem wären diese Informationen viel leichter zugänglich, da sie nicht an einen physischen Raum gebunden sind: Ein traditionelles Denkmal sieht man schliesslich nur, wenn man gerade daran vorbeigeht. Doch diese Möglichkeiten sollten als Zusatz und nicht als Ersatz verstanden werden.

Denn traditionelle Denkmäler sind gerade deshalb so aussagekräftig, weil sie ein offizielles Statement sind, das im öffentlichen Raum platziert wurde und zu dem alle Zugang haben. Sie zeigen, für welche Werte und Ideologien die Schweiz steht. Im Umkehrschluss impliziert dies: Alle nicht repräsentierten Personen, Gruppen und Ereignisse werden als unwichtig erachtet.

Wie wir alle aus Erfahrung wissen, ist eine der grossartigen Eigenschaften des Internets, dass eine Unmenge an Informationen jederzeit und praktisch gratis verfügbar ist. Das birgt grosses Potential, um die Erinnerungskultur diverser zu machen: Wir könnten online viel mehr Menschen gedenken, als dies im begrenzten öffentlichen Raum möglich ist. Gruppierungen, deren Beiträge zum Allgemeinwohl bislang nicht repräsentiert wurden, könnten so sichtbar gemacht werden. Was wir jedoch auch wissen: bei einer so grossen Menge an Informationen übersieht man schnell einmal etwas und es ist schwierig herauszufinden, was von glaubwürdigen Autor*innen stammt.

Hier könnten Institutionen aushelfen, die wir aus dem «offline-Leben» kennen. Wenn beispielsweise das Schweizerische Nationalmuseum Denkmalseiten online produzieren würde (wie das auf dem Museumsblog zum Teil bereits geschieht), wäre das Vertrauen in die Informationen vermutlich grösser, als wenn diese digitalen Denkmäler von irgendwelchen Privatpersonen erstellt werden. Entscheidend ist, dass kulturelle Institutionen online neben einer informierenden auch eine selektionierende Rolle spielen können. Wenn bei einer Google-Suche ein Denkmal für die italienischen Gastarbeiter*innen in der Schweiz und eines für James Schwarzenbach direkt nebeneinander erscheinen, hätten die Denkmäler eine wichtige Eigenschaft eingebüsst: Neben der Erinnerung stehen Denkmäler ja auch für eine Ehrung. Wird also gar nicht mehr selektioniert, machen Denkmäler kaum mehr ein Statement dazu, was einem Land wichtig ist – es scheint dann alles gleich wichtig.

Deshalb werden «digitale Denkmäler» in Zukunft vermutlich eher eine ergänzende Rolle zu den physischen Statuen im öffentlichen Raum spielen. Sie funktionieren gut, um unser Land in seiner Vielfalt darzustellen sowie um mehr und leichter zugängliche Informationen zu den erinnerten Personen anzubieten. Was sie jedoch nicht können, ist als offizielles Statement im öffentlichen Raum stehen. Gerade weil bei klassischen Denkmälern eine starke Selektion durchgeführt wird, haben Denkmäler überhaupt eine solch starke Bedeutung: Was einen Ort hat, hat einen Wert.

 

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#Denkmalsturz

Gesine Krüger, Historikerin, Universität Zürich, 21. Juni 2020 in Geschichte der Gegenwart(alle Rechte vorbehalten)

Die Diskussion zu den Denkmalstürzen der letzten Tage wird oft auf eine einfache Opposition reduziert: Alles muss weg – oder nichts darf angetastet werden. Als Königsweg erscheint dann «Kontextualisierung». Doch wie soll diese aussehen? Und was passiert da eigentlich gerade weltweit? 

Nachdem Anfang Juni der US-amerikanische Bürger George Floyd von Polizisten in Minneapolis getötet worden ist, sind in bisher mehr als 3000 Städten weltweit Menschen auf die Strassen gegangen. Die Proteste haben an vielen Orten auch zur Demontage und Zerstörung von Denkmälern geführt, mit wütendem Ernst oder als fröhliches Happening. Soll damit Geschichte – zumindest symbolisch – ausgelöscht werden? Oder geht es darum, eine bestimmte in Stein gemeisselte und in Metall gegossene Interpretation der Vergangenheit in Frage zu stellen? Letzteres ist oft genug Jahrzehnte lang ebenso geduldig wie erfolglos geschehen, etwa im Fall des Denkmals für Edward Colston, das nun doch unter dem Jubel der Menge im Hafenbecken von Bristol gelandet ist.

Geschichtspolitik

In der Geschichte wurden immer wieder Denkmäler errichtet, gewidmet, umgewidmet, abgerissen, gestürzt. Oft waren es die Sieger, die Denkmäler schleiften, heute sind es die Aufständischen in den Städten, die gegen Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus in Institutionen kämpfen sowie für eine Aufarbeitung der Geschichte von Kolonialismus und – besonders in den USA – der Sklaverei.

Statuen verfügen über eine besondere, fast magische Qualität, denn sie verkörpern als steinerne oder bronzene Abbilder eine konkrete historische Person und nicht allein ein historisches Ereignis. Sie symbolisieren den Zweck des Gedenkens und verkörpern ihn gewissermassen. Dies spiegelt sich in manchen Berichten über die jüngsten Ereignisse wider: Statuen sind «Opfer geworden», sie werden «gewaltsam gestürzt» und «angegriffen». Von den Demonstranten werden die Gesichter der Statuen mit Farbe verschmiert oder verhüllt, bevor sie von ihrem Standort entfernt werden. Die Anthropologin Katherine Verdery hat in ihrer Untersuchung «The Political Life of Dead Bodies» zur weitverbreiteten Praxis der Umbettung von Toten im postsozialistischen Osteuropa auch die Entfernung von Statuen aus der Öffentlichkeit als Teil einer symbolischen «Körperpolitik» verstanden, mit der Räume neu «kodiert», mit neuen Bedeutungen versehen werden. In dieser Lesart braucht es historische Symbole, um in Zeiten des Umbruchs über die Zukunft sprechen zu können.

Auch der Akt des Denkmalsturzes kann ein starkes Symbol sein, wie sich in den letzten Tagen zeigte, etwa in Bristol, wo die Statue von Edward Colston vom Sockel geholt wurde. Colston war ein Sklavenhändler und Deputy Governor der Royal African Company, die zwischen 1672 und 1689 etwa 100 000 versklavte Menschen aus Westafrika hauptsächlich in die Karibik verschifft hat. Viele Tausende starben bei den Überfahrten und ihre Leichen wurden ins Meer geworfen. Daran erinnert der performative Akt, Colstons Denkmal nicht nur zu stürzen, sondern durch die Strassen zum Hafen zu rollen und dort ebenfalls ins Wasser zu werfen. Die vielen Erinnerungen an Colston, dessen Name in Bristol Strassen, Schulen, Plätze und öffentliche Gebäude schmückt, gilt natürlich nicht dem Sklavenhändler, sondern dem Wohltäter und grosszügigen Mäzen. Woher das Geld genau kam, hat dabei wenig interessiert. Schliesslich waren auch die Sklaven im Hafen von Bristol nicht zu sehen, sondern nur die Waren, die den Handel am Laufen hielten. Doch diese Reduktion der Geschichte ist für viele nicht mehr akzeptabel, wie Eingaben, Petitionen und Diskussionen zeigen. Und so erfolgte dieser Denkmalsturz auch weniger im Furor des Augenblicks, sondern als vorläufiger Schlusspunkt unter einer jahrzehntelangen Debatte.

Immer wieder – so auch in den Auseinandersetzungen in Bristol über Colston, bei denen es Petitionen für und gegen Umbenennungen gab – wird argumentiert, die Denkmalstürze bärgen die Gefahr, die Schrecken der Vergangenheit vergessen zu lassen. Doch man möchte sich ja ohnehin nicht an den Sklavenhändler, sondern an den Gründer von Schulen und den Wohltäter der Armen erinnern. Und genau darum gehen die Auseinandersetzungen: An welchen Teil unserer Geschichte möchten wir uns erinnern, und welchen Teil möchten wir lieber vergessen? Die Schrecken sind eben gerade nicht Teil der offiziellen Erinnerungspolitik um die nun gestürzten Denkmäler, sondern deren Vergessen ist Anlass für den Sturz.

Die unsichtbaren Zeichen sichtbar machen

 Braucht es wirklich Statuen, um Geschichte lebendig zu halten, zu vergegenwärtigen? Zumeist sind Denkmäler solange «unsichtbar», Teil der Strassenkulisse, wie Robert Musil geschrieben hat – oder höchstens eine Touristenattraktion –, bis sie gestürzt oder ander- weitig „mit Leben erfüllt“ werden. 2019 etwa hat die Stadt Zürich zum Zwingli-Jahr überlebensgrosse, jeweils unterschiedlich ausgestattete Zwingli-Statuen in allen zwölf Stadtkreisen aufstellen lassen, um damit Gespräche in Gang zu setzen – so gab es etwa einen «Klima- Zwingli». Vermutlich haben die meisten Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt «ihren Zwingli» zum ersten Mal bewusst angeschaut, bevor die Statuen im Anschluss an die ökumenisch getragene Aktion für einen sozialen Zweck versteigert wurden. Zwanzig Jahre früher hatte der Künstler Jan Morgenthaler, ebenfalls in Zürich, mit der Aktion «Transit 1999» Denkmäler auf Reisen geschickt. Escher, Pestalozzi, Waldmann und Zwingli wurden von ihren Sockeln geholt und ins Industriequartier verschoben. Auch dies eine Aktion der Sicht- barmachung, die verschiedene, nicht eindeutige Lesarten offenhalten wollte. Man kann Denkmäler auch hinlegen, umdrehen oder auf den Kopf stellen, wie Jürgen Zimmerer jüngst hinsichtlich des Bismarck-Denkmals in Hamburg vorgeschlagen hat. Wobei ein solch umgedrehtes Denkmal vermutlich auch schnell wieder Teil der Strassenkulisse wird, und nicht Teil eines lebendigen Gedankens und Gefühls, um noch einmal Musil zu zitieren.

Im Falle des belgischen Königs Leopold II., dessen Statue in Antwerpen von den Behörden als Reaktion auf die Proteste entfernt worden ist, könnte Geschichte sichtbar gemacht werden, anstatt sie schnell aus dem öffentlichen Raum zu entsorgen, z.B. indem allen Leopold Denkmälern eine Hand entfernen wird, was sie vom Denkmal zum Mahnmal machte. Denn das Abhacken von Händen und Füssen war gängige Praxis im kolonialen Kongo als Strafe für zu geringe Arbeitsleistungen. In Leopolds Privatkolonie herrschte ein entfesseltes Zwangs- und Folterregime, das als Kongogräuel in die Geschichte einging, und bereits durch die Schriften von Zeitgenossen wie Arthur Conan Doyle oder Joseph Conrad einer mehr oder weniger entsetzen Öffentlichkeit in Europa und den USA bekannt war. Schon 2004 raubte die Künstlergruppe De Stoete Ostendenoareeinem zentralen Standbild von Leopold eine Hand, allerdings nicht dem König selbst, sondern einem der kongolesischen Männer, die Teil des 1931 errichteten Reiterstandbild mit der Inschrift: «De dank van de Congolezen aan Leopold II» sind. Sie wollten die Hand nur im Tausch gegen die Wahrheit über die Herrschaft im Kongo und eine Entschuldigung zurückgeben.

Einen anderen Weg beschreitet der US-Amerikanische Künstler Kehinde Wiley mit seiner Serie «Rumors of War», die sich mit Reiterportraits im Kanon der westlichen Kunstgeschichte befasst. Als Höhepunkt enthüllte er 2019 erst am Times Square in New York, und später in Virginia, eine monumentale Reiterstatue aus Bronze, bei der ein junger Mann mit Dreadlocks, Jeans und Turnschuhen in der Pose des Konföderierten Generals J.E.B. Stuart auf dem Pferd sitzt. Kehinde Wiley geht es sowohl darum, dass er mit seinem Werk den Monumenten in den Südstaaten und deren Betrachtern widerspricht, ihnen antwortet («speaking back»), als auch Teil eines globalen Gesprächs wird.

Momentan aber entlädt sich grosse Wut gegen die Symbole eines verweigerten Gespräches, vielleicht auch, weil die Debatten immer wieder verebben. Gleichwohl zeigen die reichlich in den Sozialen Medien kursierenden Aufnahmen der Denkmalstürze auch eine gewisse Lust und Fröhlichkeit, mit der diese (ehemaligen) Herren vom Sockel geholt werden. Und natürlich werden die mit den Denkmälern verbundenen Geschichten von Unterdrückung und Widerstand mit viel Pathos erzählt, aber es handelt sich schliesslich nicht um Fachkonferenzen, sondern um Strassenaktionen.

Geschichte sichtbar machen

Der Bürgermeister von Bristol, Marvin Rees, spürte kein grosses Bedauern über den Denkmalsturz in seiner Stadt, obwohl er sagte, dass er Vandalismus nicht unterstützen würde, und einen politischen Prozess bevorzug hätte. Auf die Frage der BBC, warum er als Bürgermeister nicht längst die Entfernung der Colston-Statue veranlasst hätte, mahnte er zu etwas mehr Realismus: Welche Diskussion hätte es wohl ausgelöst, wenn er als schwarzer Labour-Politiker mitten in der Brexit-Debatte als erste Amtshandlung ein zentrales Symbol des British Empire hätte abräumen lassen. Diese Antwort zeigt schmerzlich das ganze Problem, um das es im Moment geht: Rees ist eben nicht einfach Bürgermeister, sondern ein schwarzer Bürgermeister.

Auch der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, strebt eine politische Lösung an und hat eine Kommission eingesetzt, die sich mit den Denkmälern und Strassennamen der Stadt befasst. Natürlich verändert sich der Prozess, wenn er in die Hand von Behörden übergeht, Kommissionen müssen nicht nur eingesetzt und paritätisch besetzt werden, es müssen Regularien und Kriterien festgelegt und unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden, alle Bürgerinnen und Bürger müssen sich repräsentiert fühlen. Und vorsichtig hat Khan schon ausgeschlossen, Statuen von Persönlichkeiten vom Rang eines Winston Churchills in seine Untersuchung einzubeziehen, auch wenn Schulkinder natürlich über die guten und schlechten Seiten berühmter Persönlichkeiten unterrichtet werden müssten, niemand sei schliesslich perfekt, und das würde eben auch Churchill, Gandhi und Malcolm X betreffen.

Aber es gibt eben keine Statue von Malcolm X in London…

Der Journalist Stephen Kupakwesu Bush schrieb denn auch im New Statesman, das Problem sei nicht, welche Statuen abgerissen, sondern welche neu errichtet werden sollten. Und genau das ist auch Teil der Kommissionspolitik von Bürgermeister Khan. In den Galerien Londons werden die Kunstwerke immer wieder umgehängt, abgenommen, ersetzt, neu arrangiert – warum sollte das mit der Kunst im öffentlichen Raum nicht möglich sein, fragt Bush. Und er weist auf eine Ironie der Geschichte hin. Ausgerechnet die jüngst entfernte Statue des Sklavenhändlers Robert Milligan ist erst 1997, nach der Entwicklung der London Docklands als Finanz- und Ausgehviertel, wiedererrichtet worden.

Geschichte ausradieren – Geschichte bewirtschaften

Stadträume werden derzeit restaurativ umgestaltet, man denke nur an das Stadtschloss in Berlin oder die Frankfurter Altstadt, mit denen die Geschichte der DDR und des Zweiten Weltkriegs architektonisch überformt werden. Diese Veränderungen und Neuschöpfungen lösen ungleich weniger Ängste, Emotionen und Aggressionen aus als die gegenwärtigen und vergangenen Denkmalstürze. (Schon 1961 etwa protestierten Studierende der Universität Hamburg gegen zwei Kolonialdenkmäler vor ihrer Universität, die sie dann 1968 stürzten.) Dabei geht es in den meisten Fällen sicher nicht um den künstlerischen Wert der Abbilder ernst blickender Männer und dahinsprengender Rösser. Es geht um Geschichte, und zwar um Geschichte in der Gegenwart. Niemand denkt im Ernst, dass Saddam Hussein oder Stalin in Vergessenheit geraten, weil ihre Denkmäler gestürzt sind. Aber ein Südstaatengeneral?

Muss die Erinnerung an ihn nicht sehr aktiv aufrechterhalten werden? Und damit stellt sich auch die Frage, welche Geschichten die Statuen von sich selbst erzählen, und hier sind die Bürgerkriegsdenkmäler in den USA ein interessantes Beispiel.

Viele dieser bereits vor drei Jahren und heute wieder umkämpften Denkmäler zeigen Reiter- statuen konföderierter Generale. Sie gehören zu den etwa 1500 symbolischen Orten des Bürgerkriegs, hauptsächlich in den Südstaaten, darunter 718 Monumente. Es sind keine Denkmäler gegen die Sklaverei, gegen den Krieg oder für die Versöhnung, sondern dezidiert Erinnerungen an die Südstaatenarmee, errichtet zumeist von privaten Gruppen und Vereinen, häufig während der Hochzeit des Ku-Klux-Klan und der Jim Crow-Gesetze. Noch 2009 wurde in Waverly, Missouri, eine Bronzestatue für General Joseph O. Shelby errichtet, der aus einer der reichsten Familien in Kentucky stammte und eine Sklavenplantage besass. «You are changing history», sagte Donald Trump, nachdem der Stadtrat von Charlottesville beschlossen hatte, das Reiterstandbild von General Lee aus einem öffentlichen Park zu entfernen. «Youʼre changing culture.» Doch diese Geschichte geht nicht besonders weit zurück. Der britische Guardian kommentierte – damals noch ironisch gestimmt:

«History about as old as the George W. Bush presidency, it turns out in a surprising number of cases – and culture stretching back to the heyday of Britney Spears.»

Mehr als dreissig Bürgerkriegsdenkmäler sind nämlich erst in den letzten zwanzig Jahren errichtet worden. Die meisten Standbilder der Helden im Kampf für die Sklaverei wurden im 20 Jahrhundert aufgestellt. Sie sind keinesfalls stumme Zeugen der Vergangenheit, sondern aktiver Bestandteil von Geschichtspolitik. Dazu gehören auch Neuwidmungen, rededications, die mit festlichen Akten begangen werden, um die alte (Sklavenhalter-)Gesellschaft des Südens zu feiern. So kann es nicht wundern, dass diese Denkmäler zum Symbol von Alt Right und White Supremacy geworden sind, nicht, weil die Protestierenden das so sehen, sondern weil sie in diesem Sinn genutzt werden. 

An wen wollen wir uns erinnern?

Derzeit wird in den Medien eher wohlwollend über die Denkmalstürze berichtet, aber es werden auch immer wieder besorgte Stimmen laut: Wo soll das alles enden? Wer stünde noch zur Disposition – Churchill, Bismarck, alle Nationalhelden der westlichen Welt? Kant gar? Doch hinter der Frage, wo soll das enden, verbirgt sich oft die Angst, überhaupt anzufangen. Und sie zeigt, dass es tatsächlich erst einmal kein Ende gibt, denn so vernetzt, global die Proteste sind, so vernetzt und global, so tief verankert in der Gesellschaft waren Sklavenhandel und Kolonialismus. Auf der interaktiven Karte «Topple the Racists» finden sich neben Sklavenhaltern und Kolonisten historische Persönlichkeiten wie König Charles II., Oliver Cromwell, Horatio Nelson und Sir Francis Drake. Das zeigt das Problem, dass nicht nur Privatpersonen vom Sklavenhandel profitiert haben, sondern es handelt sich um ein System. Viele Städte haben nicht nur eine Statue eines Sklavenhalters im Stadtzentrum, sondern die von ihm gestifteten Parks, Schulen, etc. Eine Dekolonisierung des öffentlichen Raumes würde nicht bedeuten, einige Statuen zu entfernen, sondern eine Kartierung dieses Erbes, um es sichtbar zu machen. Es geht um den gegenwärtigen Umgang mit der kolonialen Vergangenheit und um die Gegenwart kolonialer Manifestationen.

Und anstatt das was-wäre-wenn-Spiel zu spielen, sollte man sich mit den konkreten Aktionen und Orten befassen, an denen jetzt gerade Denkmäler gestürzt werden. Was sind die Gründe, was sind Kontext und Vorgeschichte? Wem geht es um was genau in dieser globalen Bewegung, mit ihren jeweils sehr spezifischen lokalen oder regionalen Ausprä- gungen, die jeweils unterschiedliche Lösungen brauchen, die den Bedürfnissen der Nachbarschaft, der Stadt, des Landes entsprechen? Vergangenheit wird keinesfalls ausgelöscht, wenn ein Denkmal gestürzt wird, das wissen wir nicht erst seit der Französischen Revolution. Die kritische Untersuchung des historischen Erbes – auch im öffentlichen Raum – am Beispiel von mit Denkmäler geehrten Persönlichkeiten nimmt der Geschichte nichts weg, sondern fügt ihr etwas hinzu. Wem wollen wir Denkmäler setzen und in welcher Form? Das ist vielleicht die bessere Frage als die, wer weg soll.

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Ehre ja, aber bitte horizontal! Denkmäler von Sportlerinnen und Sportlern in der Schweiz

Michael Jucker, Historiker Universität Luzern, Projektleiter von Swiss Sports History und Co-Leiter des FCZ-Museums, 05. Juli 2021

Nur sehr vereinzelt wurden in der Schweiz die Heroen des sportlichen Kräftemessens in Bronze oder Stein verewigt. Die schweizerische Art, Sportler und Sportlerinnen zu würdigen, ist vielmehr horizontal: flache Wege und Plätze statt emporragende Skulpturen.

Eine Reise durch die Schweiz führt häufig an Erinnerungsorte: Telldenkmal, Rütli, Löwendenkmal, Bourbaki-Panorama erinnern an vergangene Helden. Geschichtsmythen, Helden, Heldinnen (selten), Schlachtensiege, Niederlagen (selten) werden öffentlich durch Statuen, Denkmäler, Tafeln oder Gedenksteine in Erinnerung gehalten. Waren diese im 19. Jahrhundert noch Teil eines nationalen, patriotischen Erziehungsprogramms, so werden sie heutzutage mehrheitlich von Touristen und Touristinnen bewundert.

Gilt das 19. Jahrhundert als Monumentalzeitalter, das Denkmäler en masse hervorbrachte, so müsste man eigentlich vermuten, dass dies auch im Gesellschaftsbereich des Sports der Fall wäre. Denn der moderne Sport ist ebenfalls ein Phänomen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Turnen und Schwingen wurden zu Nationalsportarten emporgehoben und dienten der patriotischen Bildung und der Wehrhaftigkeit. Ideale Voraussetzungen also, den Sport mittels Denkmäler in den Dienst der Nation zu stellen. 

Zwei Schwinger, kaum Sportlerinnen – und sonst?

Eine Reise durch die Schweiz belehrt einen eines Besseren. Denkmäler, Statuen oder nur schon Gedenktafeln des Sports sind im Vergleich zum Schlachtengedenken oder den Denkmälern für Kriegshelden Mangelware. Irrtum vorbehalten: Aus dem 19. Jahrhundert ist kein einziges Sportlerdenkmal in der Schweiz überliefert. Auch für das 20. und 21. Jahrhundert erinnert kaum ein Denkmal an sportliche Erfolge.

Fündig wird man an traditionellen Wintersportorten: Ein Gedenkstein und eine Tafel mit Ehrung der Medaillengewinner auf der Plazza Paracelsus in St. Moritz erinnern an die Durchführung der Olympischen Winterspiele von 1928 und 1948. Ebenda gedenkt man der Geschichte des Skeletons auf dem Cresta Run mittels einer schwungvollen Bronzeskulptur des Künstlers David Wynne. In Davos gibt es einen Bubenbrunnen mit turnenden Knaben von 1928 und 1936 erstellte der Bildhauer Wilhelm Schwerzmann daselbst den sogenannten Skistürzer-Brunnen, der an die Gefahren des Skifahrens gemahnen sollte.

Umstritten war ausgerechnet ein Denkmal, das die Nationalsportart Schwingen darstellt: Die 1905 vom Künstler Hugo Siegwart, selbst ein aktiver Schwinger, erstellte Skulptur «Schwingergruppe» in Luzern zeugt von patriotischem Geist. Sie zeigt zwei Schwinger, idealisiert als antike Helden, in dramatischer Kampfpose. Da die beiden muskulösen Schwinger bis auf den Gürtel und die lediglich durch Riemen angedeuteten Schwingerhosen nackt waren, stiess die Skulptur auf heftigen Widerstand kirchlicher und katholisch-konservativer Kreise. So konnte die Plastik erst im Januar 1909 auf dem Kurplatz beim Hotel National aufgestellt werden. 1958 wurde das Schwingerdenkmal in die Parkanlage Inseli am Luzerner Seebecken umplatziert.

Sportliche Erfolge, die erst kürzere Zeit zurückliegen, werden ebenfalls kaum in Stein gemeisselt oder in Bronze gegossen. Und ganz vergeblich schliesslich sucht man nach Statuen, die ein Gegenprogramm zum individuellen Sportler-Heldentum anbieten würden, beispielsweise im Bereich der Arbeitersport-Bewegung. Über die Gründe der grossen Abwesenheit von Sportdenkmälern kann man als Historiker vorerst nur mutmassen, denn eingehende Studien fehlen. Anlässe für Denkmäler gäbe es genug, Athletinnen und Athleten der Schweiz haben es immer wieder zu grossen sportlichen Erfolgen gebracht: Denken wir nur an Maria Walliser, Marie-Theres Nadig, Martina Hingis, Bernhard Russi, Simon Ammann oder Ferdy Kübler. Die Schweiz war Gastland von Olympischen Winterspielen, zahlreichen Welt- und Europameisterschaften in unterschiedlichsten Sportarten. Zudem ist sie Sitz mehrerer internationaler Sportverbände und -organisationen. 

Niemand soll aus der Masse herausragen

Ein Grund für fehlende Sportdenkmäler liegt wohl darin, dass die Sportgeschichte hierzulande grundsätzlich einen tieferen Stellenwert hat als anderswo. Es fehlt an Lehrstühlen für Sportgeschichte; Museen und andere Gedächtnisinstitutionen, die sich mit Sportgeschichte befassen, sind rar. Überhaupt wird in der Schweiz dem Sport weniger Aufmerksamkeit zuteil als in sportbegeisterten Nationen wie England oder den USA, wo der Sport integraler Bestandteil des Lebensstils und die Idee, dass der Sport den Geist, Körper und die Nation prägt, nicht nur an den Colleges omnipräsent ist.  

Eine weitere Ursache könnte in der Schweizerischen Mentalität liegen, die stark im bäuerlichen Denken verhaftet ist: Grundsätzlich wird Arbeit oder Erfindergeist im klassischen Sinne honoriert, Konsens, Arbeit und Bescheidenheit sind die Tugenden. Niemand darf zu stark aus der Masse herausragen. Ein Held, eine Heldin werden vorwiegend dann geehrt, wenn sie in der mythischen Vergangenheit des Mittelalters lebten. Die Selbstdefinition der Nation erfolgt über Schlachten und ideologische Abwehrdispositive. 

Die Absenz von Sportdenkmälern mag zudem in der Zukunftsgläubigkeit der Schweiz liegen und im Versprechen, dass es noch besser kommen könnte. Denn in Stein gemeisselter Erfolg widerspricht dem allgemeinen Denken im Sport, dass immer jemand den Rekord noch brechen könnte. Selbst ein herausragender Sportler wie Roger Federer muss noch auf ein Denkmal warten, auch wenn er ganz unschweizerisch als «King» bezeichnet wird. Ähnlich ging es Köbi Kuhn, dem erfolgreichsten Fussballspieler des FC Zürich und in der ganzen Schweiz beliebten Nationaltrainer: Nach seinem Tod im November 2019 wollte seine Witwe Jadwiga Kuhn, dass ein Denkmal in Zürich für ihn errichtet werde. Die Stadtbehörden lehnten dies ab, eine Gedenktafel sollte reichen. Ehre ja, aber bitte horizontal!

Offenbar entspricht die Horizontale der schweizerischen Art, Sportler zu würdigen: Also flache Strassen, Wege und Plätze statt in die Höhe strebende Skulpturen, meist unscheinbar, zurückhaltend, bescheiden eben. Eine Ausnahme bilden zwei Statuen, die überraschend verstorbenen Sportlern gewidmet sind: Seit 2005 steht vor dem Zürcher Hallenstadion ein Denkmal für den Schweiz-Kanadische Eishockeyspieler Chad Silver, der 1998 als aktiver Spieler des ZSC an Herzversagen starb. In Fribourg erinnert der Jo-Siffert-Brunnen seit 1984 an den 1971 tödlich verunglückten Autorennfahrer. Als Sportler oder Sportlerin muss man offenbar beim Ausüben seines Sports oder zumindest mitten in der Karriere versterben, um ein Denkmal zu erhalten.  

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Muss Escher weg?

Benedikt Meyer, Historiker, Autor, Kabarettist, 2020

«Und was hältst du als Historiker von der Debatte über die Statuen?» - Ich finde die Debatte ehrlich gesagt ziemlich geil. Wir haben die Dinger jahrelang ignoriert und plötzlich fangen wir an, über sie zu sprechen. Grossartig! Es gibt nämlich einige coole Statuen-Stories..

Am Tell von Altdorf ist das Wichtigste nicht die Armbrust, sondern das Datum unter Tells Füssen: 1307. Die Urner stritten sich im 19. Jahrhundert nämlich mit Bern über das Gründungsdatum der Schweiz. Bern propagierte 1291 (Bundesbrief), die Innerschweizer 1307 (Rütlischwur). Gebracht hat's nichts, 1291 setzte sich durch.

Die Helvetia von Basel wiederum dreht sich ums Ausbrechen. Unsere Landesmamsell packt den Koffer und geht auf Reisen. Sie sitzt am Ende der Brücke und blickt rheinabwärts ins Ausland.

DieBerner Helvetiahingegen ist gar keine Helvetia, sondern das Welttelegraphendenkmal. Dieses wurde der Stadt von der Welttelegraphenunion aufgenötigt. Eigentlich hätte Paris das Ding nehmen müssen, die Franzosen schoben aber Bern vor und hier verstellt der Klotz nun einen Platz, der eigentlich hübsch sein könnte. Trotzdem traut man sich nicht, das Denkmal zu schleifen.

Der Löwe von Luzernfeiert die Verteidigung der Monarchie gegen das Volk, was an sich unentschuldbar ist, aber die Skulptur ist so rührend, dass man es ihr seit zwei Jahrhunderten durchgehen lässt. Und das von einem Bildhauer, der nie einen echten Löwen gesehen hat.

DasEscher-Denkmal von Zürich wurde unvorsichtigerweise schon 7 Jahre nach Eschers Tod aufgestellt. Dummerweise gab's da noch recht viele Leute, die mit Escher eine Rechnung offen hatten und so musste bei der Einweihung die Armee die Plastik gegen aufgebrachte Arbeiter schützen.

Gerade das Escher-Beispiel zeigt, dass die Möblierung des öffentlichen Raums weder neutral noch zufällig ist. Die Frage ist stets, wer die Macht hat, sein Geschichtsbild, seine Vorstellung davon, was gedenkenswürdig ist, durchzusetzen. (Es ist ein bisschen wie mit den Strassennamen). Wer sind wir? Worauf berufen wir uns? Wie stellen wir uns dar? Und wer gehört zu diesem «wir» alles dazu?

Ich finde die Escher-Diskussion wertvoll. Und persönlich finde ich nicht, dass er weg muss. Aber ich würde ihn mit einigen Kaffeebäumen ergänzen. Wenn ich's mir recht überlege sollten es sogar ziemlich viele, ziemlich grosse Kaffeebäume sein. Es ist eine Chance: Wir können Escher stehen lassen und zugleich öffentlich anerkennen, dass die Schweiz den Kolonialismus nicht nur vom Hörensagen kennt.

PS. Bei der Mohrenkopf-Frage ist die Antwort übrigens einfach: Das Wort ist passé. Es ist rassistisch und weder das Argument «ich habe es nicht rassistisch gemeint» noch «ich wusste gar nicht, dass es rassistisch ist» ziehen. Aber wie eigentlich immer im Leben hilft auch hier etwas historische Perspektive. Schauen wir uns an, was mit dem «Neger» passiert ist. Unsere Grosseltern haben kapiert, dass das Wort nicht nett ist, unsere Eltern haben es sich verkniffen und wir (endlich!) haben es nur noch im Passivwortschatz. Bei den Mohrenköpfen sind wir die Grosseltern. Simple as that. - Haben unsere Vorfahren oft «Neger» gedacht und «Afrikaner» gesagt? Ziemlich sicher ja. Werden wir «Mohrenkopf» denken und "Schoggikuss" sagen? Sure as hell. Ist es das wert? Keine Ahnung, kommt halt drauf an, was man von Menschlichkeit hält.

PPS. Simpel ist auch die Sache mit dem Agassiz-Horn. Das nennen wir künftig Welttelegraphenberg, stellen das klobige Denkmal auf den Gipfel und montieren da noch eine 50m hohe 5G-Antenne drauf. So kriegen wir nämlich einen weiteren 4000er und in Bern haben wir endlich Platz für eine richtige Helvetia. Und zwar eine Streikende. Happy Frauenstreik-Tag, liebe Leute.

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In Bild und Ton

Wie interagieren wir mit Denkmälern? Hier präsentieren wir dir eine Sammlung von Bildern, Videos und Tonspuren zu dieser Frage.

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Comic: Offener Brief an Carl Vogt

Am Eingang der Universität Genf steht eine Büste von Carl Vogt (1817 - 1895), ehemaliger Rektor der Uni Genf. Carl Vogt war seiner Zeit ein renommierter Gelehrter, der aber auch rassistische und frauenfeindliche Thesen veröffentlichte. Die Professorin Juliet Fall (Uni Genf) schrieb Carl Vogt einen offenen Brief in Form eines Comics (zum Lesen aufs Bild Klicken - Englisch).

Die Geschichte hinter dem Comic auf der Website der Uni Genf (Französisch)

Video: Denkmal-Debatte in den USA

Im Sommer 2020 wurden Denkmäler  in USA verschiedenerorts Denkmäler heftig kritisiert und sogar gestürzt.

Video: Wie zwei Künstler eine Stadt hinters Licht führten

izzy-Magazine macht einen Augenschein vor Ort und präsentiert die Geschichte der Mocmoc-Statue in Romanshorn. Die «Freiheitsstatue von Romanshorn»? Oder einfach «ein Affentheater»?

Werbung: Wilhelm Tell und Käse

Auch gut für Käsewerbung: Die Wilhelm-Tell-Statue in Altdorf

Video: Wie du dein eigenes Denkmal bekommst

Youtuber izzy hat sich 2018 in Zürich selbst ein «echtes» Denkmal gesetzt. (Ganz ohne Erlaubnis der Stadt ging das aber nicht.)

In der Politik

Wie beteiligen sich Behörden und Politik in der Schweiz an der Denkmal-Debatte? Was geschieht in den verschiedenen Kantonen? 

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Zürich: Arbeitsgruppe zu rassistischen Denkmälern

Im September 2020 publizierte die Universität Zürich den Bericht «Die Beteiligung der Stadt Zürich sowie der Zürcherinnen und Zürcher an Sklaverei und Sklavenhandel vom 17. bis ins 19. Jahrhundert.», in Auftrag gegeben von der Stadt Zürich. Der Bericht stellte vielfältige, vor allem wirtschaftliche Bezüge von Zürich und der Zürcherinnen und Zürcher zur Sklaverei fest. Besonders hob er die Verbindungen der Familie Escher hervor, der auch Alfred Escher (1819-1882) angehörte. Der Politiker und Eisenbahnunternehmer wird vor dem Haupteingang des Zürcher Hauptbahnhofs prominent mit einem Standbild geehrt. Alfred Escher war zwar nicht selbst am Sklavenhandel beteiligt. Dennoch schlägt der Bericht vor, die Frage seines Denkmals und der Erinnerung im öffentlichen Raum an die Verstrickungen der Stadt Zürich in die Sklaverei neu zu diskutieren.

Als Folge des Berichts überprüft derzeit eine Arbeitsgruppe im Auftrag der Stadt Züricht 80 Denkmäler auf rassistische Bezüge. Erste Ergebnisse werden 2023 erwartet.

Baselland: Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit

Im Landrat von Baselland ist ein Postulat in Bearbeitung, das die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Baselbieter Persönlichkeiten fordert. Vorangegangen war im Sommer 2020 eine Aktion der Jungsozialisten, die den Gedenkstein des Kolonialisten Johann August Sutter (1803–1880) in Rünenberg mit einem blutverschmierten Tuch verhüllten und die Aufschrift «Keine Denkmale für Sklav*innenhalter» auf ein Plakat malten. 

Bern: Bahnhofserweiterung und Strassennamen

Denkmal weicht Bauprojekt?

Im Zuge der Erweiterung des Bahnhofs Bern soll der «Hirschengraben», ein zentraler Platz in Bahnhofsnähe, komplett umgestaltet werden. Dort steht unter anderem ein Denkmal für den Berner Feldherrn Adrian von Bubenberg. Das Bauprojekt sieht vor, das Denkmal weg vom Hirschengraben an seinen ursprünglichen Platz zu verschieben. Gegner des städteplanerischen Projekts kritisieren diese Zerstörung des historischen Ortsbildes.  

Strassennamen sollen Frauen sichtbar machen

In der Stadt Bern sind gut 150 Strassen, Wege und Plätze nach Männern und 24 nach Frauen benannt. Anlässlich des Frauenstreiks vom 14. Juni 2019 forderte ein Vorstoss, diese solange nur noch nach Frauen zu benennen, bis Gleichstand herrscht. Der Vorstoss wurde angenommen, und seit Juli 2020 liegt ein Umsetzungskonzept des Interdisziplinäres Zentrums für Geschlechterforschung IZFG der Uni Bern vor.

Neuenburg: Platz Tilo-Frey und Statue von David de Pury

Petition zur Entfernung der Statue von David de Pury

Ein «Collectif pour la mémoire» lancierte im Juni 2020 eine Online-Petition, welche die Entfernung der Statue von David de Pury forderte. Stattdessen soll eine Tafel all jenen gedenken, die unter Rassismus und weisser Vorherrschaft litten und leiden. Die Petition wurde mit rund 2500 Unterschriften bei der Stadt Neuenburg eingereicht. Im August desselben Jahres wurde eine weitere entsprechende Petition bei der Neuenburger Stadtkanzlei eingereicht, diesmal von einem FDP-Grossrat des Stadtparlaments.

Ein Platz wird umgetauft

Jahrelang trug ein zentraler Platz bei der Universität Neuenburg den Namen von Louis Agassiz, einem Glaziologen, dem vorgeworfen wird, rassistische Thesen aufgestellt zu haben. Nach einer Debatte in Politik und Öffentlichkeit beschloss die Stadt Neuenburg, den Platz neu nach Tilo Frey (1923-2008) zu benennen, der ersten Neuenburger Vertreterin im Nationalrat. Als erste farbige Person und eine der ersten elf Frauen im Bundesparlament setzte sich die schweizer-kamerunische Politikerin für die Emanzipation der Frauen und ethnischen Minderheiten in der Schweiz ein.

In den Medien

Hier findest du journalistische Beiträge zur Denkmal-Debatte aus Zeitungen, TV-Sendungen, Radio - aus der Schweiz, aber auch aus anderen Ländern. Wenn sie verlinkt sind und sich hinter einer Paywall  befinden, ist es jeweils angegeben. Dann kannst du nur mit einem Abo des jeweiligen Mediums darauf zugreifen.

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Beiträge zu Denkmälern und Rassismus

Im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste wurden Statuen gestürzt, verhüllt und mit Farbe beschmiert. Die Bilder gingen durch die Medien – auch in der Schweiz – und hallten nach.

02.07.2021: Rassistische Spuren in der Stadt (beobachter.ch)

Zürich lässt Häusernamen entfernen, andere Städte überdenken jetzt Zeitzeichen des Kolonialismus. Gehören sie weg?

13.06.2020: Am besten würden wir erst gar keine Denkmäler aufstellen (NZZ am Sonntag, paywall)

Luzi Bernet, Chefredakteur der NZZ am Sonntag, findet die Attacken auf Denkmäler «überzogen und geschichtsblind». 

12.06.2020: Fünf Schweizer Denkmäler im Visier der Rassismus-Debatte (nau.ch)

Nach den Denkmal-Aktionen in den USA, Grossbritannien und Belgien wird auch über Schweizer Denkmäler kritisch berichtet.

11.06.2020: Wenn ein Denkmal zum Mahnmal wird (Radio SRF)

Was hat die Christoph-Kolumbus-Statue mit der Black-Lives-Matter-Bewegung zu tun? Was soll mit Statuen geschehen, die Persönlichkeiten mit kolonialem Hintergrund darstellen? Historiker Hendrik Ziegler im Gespräch mit Radio SRF.

 

«Müssen wir kontroverse Denkmäler entfernen?»

Was denkst du? Disktuiere mit!

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Diskutieren (11)

  • Thomas Ingold
    am 11.06.2021
    Entfernt das MOCMOC in Romanshorn und verzichtet bitte auf das Gendersternchen, ein unnötiges Denkmal, welches keinerlei Gleichberechtigung schafft und nur ideologisch aufs Papier gebracht wird. Danke.
    • Heinz Nauer, SAGW
      am 05.07.2021
      Der arme Mocmoc muss viel aushalten (uns schneidet auch in unserem Spiel nicht wahnsinnig gut ab --> siehe unten). Was das Gendersternchen anbelangt: Vielleicht nicht gerade ein Denkmal, aber ein Identitätsmarker allemals, und ein umstrittener erst recht. Alles was es zum Thema zu sagen gibt, steht in diesem Gespräch in der «Geschichte der Gegenwart»: https://geschichtedergegenwart.ch/_-ein-gespraech-ueber-das-gendern/
      Selber tun wir uns etwas schwer mit einer strengen institutionseigenen Sprachpolitik. Für diese Website haben wir, ziemlich unaufgeregt, den Stern ausprobiert.
  • Jumi
    am 07.05.2021
    Ich möchte ein Denkmal für Alf, den Ausserirdischen vom Planet Melmac - am liebsten z.B. neben Zwingli oder Escher oder Waldmann. Damit würde Zwingli / Escher / Waldmann die Aufmerksamkeit entzogen und das Interesse von Flanierenden und Tauben auf Alf gezogen.
    • Christina Graf
      am 10.05.2021
      Alf würde die Aufmerksamkeit sicher bekommen – eine kreative Idee (vielleicht eine für den Denkmal-Wettbewerb, der am 20. Mai eröffnet wird?).

      Dazu noch ein Gedanke: Den Blick von einem Denkmal weglenken kann auch heissen, den Blick von den zugrunde liegenden Themen, Machtstrukturen etc. wegzulenken... Und damit eine Diskussionschance zu verpassen.
  • Ulisse
    am 01.05.2021
    Ja ich möchte alle denkmäler stehen lassen: damit man über sie reden und schreiben kann. Wenn man sie wegschafft, verlieren wir die entsprechenden wichtigen themen. Sicher kann man diskussionen darüber in zeitgenössischen formen führen, mit informationstafeln, qr-codes, erklärenden comics usw.
  • Carpentier
    am 25.04.2021
    Je suis choquée par 1/ la sous-représentation des femmes 2/ et surtout la façon dont elles sont représentées : souvent nues ou quasi-nues, le corps offert ou bien dans le rôle de mère
    • Heinz Nauer
      am 26.04.2021
      C'est une observation très compréhensible. La sélection de monuments par des femmes sur ce site web reflète le paysage des monuments en Suisse. L'historienne Lina Gafner l'a bien résumé dans le dernier bulletin de l'ASSH : « Le paysage des monuments manque de femmes, mais pas de corps féminins. » (original en allemand)
      Voici le lien direct vers l'article de Lina Gafner (« Frauen und Denkmäler Allegorien, feministische Subjekte und historische Kollektive ») : https://cutt.ly/Jv4w8gc
  • Marianne
    am 10.04.2021
    Denkmäler sind Zeugen ihrer Zeitgeschichte. Wenn Pestalozzi mit erhobenem Finger auf die beiden Kinder herunterschaut, so zeigt uns sein Denkmal eine Bildungsauffassung seiner Zeit und kann zum Forschen darüber anregen. Denkmäler als Erinnerungsstätten werden auf diese Weise zu visualisierten Objekten unserer eigenen Historie. Sie zu verändern oder gar zu entfernen, bedeutet für mich, einen Teil der eigenen Identität zu verändern oder zu entfernen. Das Leben ist zu komplex, um es auf einen einzigen Ereignisstrang zu reduzieren, nämlich die Interpretation unserer Zeit.
  • Rübli
    am 29.03.2021
    Der Vortrieb der Cancel Culture in westlichen Nationen ist beispiellos und erinnert nur an Chinas Kulturrevolution. Ja - die Vergangenheit war nicht immer einwandfrei aber Denkmäler bedeuten ja auch nicht immer ausnahmslos Verehrung für eine Person. Destruktion ist immer einfach - wem sollen wir denn dann Denkmäler stiften - lieber 2 Denkmäler für positiv besetzte Personen aufstellen als eines abzureissen.
  • M. Kiefer
    am 27.03.2021
    Es ist Geschichte. Die wird auch nicht anders, wenn man sie totschweigt.
  • Peter Graßmann
    am 10.03.2021
    Welche historische Persönlichkeit hält unseren strengen moralischen Anforderungen überhaupt noch stand? Welche Denkmäler werden in Zukunft stürzen, wenn wir deren Verbleib vom Zeitgeist abhängig machen? Wie können Denkmalschutz und Erinnerungskultur unter solchen Voraussetzungen noch funktionieren? Wo bleibt Raum für menschliche Ambivalenzen, wenn wir in ein Gut-Böse-Schema verfallen, das der Realität nie entspricht? Die Bürger wissen ein 120 Jahre altes Reiterstandbild durchaus historisch-kritisch einzuordnen und die Dargestellten nicht blind zu verehren. Also lasst die Denkmäler und Straßennamen dort bleiben, wo sie sind, und lasst uns erklären, warum sie dort sind. Es ist eine Bereicherung, in unseren Städten der komplexen und verworrenen Geschichte begegnen zu können - mit all ihren Schattenseiten!

Rangliste der 24 Denkmäler

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So bewerten die Spieler*innen die 24 Schweizer Denkmäler:

84%

Am besten bewertet:
Monumento «Le vittime del lavoro» (TI)

56%

Am schlechtesten bewertet:
Johann August Sutter (BL)

Bekannt
2.5 / 5
Schön
2.5 / 5
Wichtig
3.1 / 5
Fragwürdig
2.0 / 5
Denkmal würden das Denkmal so lassen.würden das Denkmal verändern. Fragwürdig Wichtig Bekannt Schön
Willhelm Tell (UR) 77% 23% 1.9
3.6
4.6
3.5
Vadian (SG) 67% 33% 1.8
2.9
2.2
2.5
Johann August Sutter (BL) 44% 56% 3.2
2.2
2.2
2.1
Stolpersteine (ZH) 83% 17% 1.6
4.4
3.3
3.0
Jean-Jacques Rousseau (GE) 83% 17% 1.4
3.6
3.0
3.3
David de Pury (NE) 50% 50% 3.0
2.3
2.7
2.5
Der «Fixer» (ZH/LI) 68% 32% 2.2
3.4
1.7
2.0
Johann Heinrich Pestalozzi (VD) 81% 19% 1.6
3.7
3.2
3.4
Denkmal für die Opfer vom 9. November 1932 (GE) 80% 20% 1.6
3.8
1.8
2.4
Mocmoc (TG) 53% 47% 2.8
1.8
1.9
1.8
Löwendenkmal Luzern (LU) 79% 21% 2.0
3.3
4.2
4.0
Freddie Mercury (VD) 77% 23% 1.6
2.6
3.6
3.1
L’Immigré (GE) 74% 26% 1.8
3.7
1.6
3.1
Helvetia auf Reisen (BS) 78% 22% 1.5
3.6
2.8
3.8
Bourbaki-Denkmal (AG) 77% 23% 1.6
3.1
2.0
3.5
«Brahmsrösi» (BE) 69% 31% 1.9
2.4
1.7
3.3
Bubenberg-Denkmal (BE) 63% 37% 2.0
2.8
3.0
2.8
Christ-König-Statue (VS) 49% 51% 2.7
2.2
1.8
2.0
Caspar Decurtins (GR) 65% 35% 1.8
2.8
1.4
2.2
Dorothee Wyss (OW) 77% 23% 1.7
3.2
1.9
3.1
Sentinelle des Rangiers / Fritz (JU) 61% 39% 2.1
3.1
2.4
2.3
Monumento della battaglia dei sassi grossi (TI) 67% 33% 1.9
2.9
1.7
2.7
Monumento «Le vittime del lavoro» (TI) 84% 16% 1.5
4.2
2.8
3.4
Henri Guisan (VD) 65% 35% 2.2
3.1
3.0
2.6
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