Caspar Decurtins (GR)

Caspar Decurtins (GR):
Ein konservativer Revolutionär

Erinnert an… den katholischen Sozialreformer und Erneuerer des Rätoromanischen Caspar Decurtins  

Eckdaten

Ort:7166 Trun (GR)
Art:Personendenkmal
Einweihung:1924
Grösse:1.35 Meter

Zum Denkmal

Dem Vatikan und dem Ultramontanismus verpflichtet, prägte der romanische Politiker Caspar Decurtins (1855–1916) zwischen 1875 und 1905 als Bildungs-, Kultur- und Sozialpolitiker den Kulturkampf regional und national. Kurz vor der Jahrhundertwende begründete er die eidgenössische Sozialpolitik mit und stiess durch die «Rätoromanische Chrestomathie» die Renaissance des Rätoromanischen als vierte Landessprache an.

Sein Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und des Staatsrechts in München und Heidelberg schloss Caspar Decurtins 1876 mit einer Promotion ab. Es folgte eine politische Laufbahn als Landmann der Surselva, im Bündner Grossrat und im Nationalrat, wo er 1902–05 die katholisch-konservative Fraktion präsidierte.

In der Surselva eröffnete Caspar Decurtins den regionalen und kantonalen Bildungs- und Kulturkampf, indem er die Katholisch-Liberalen ausschaltete und die Restaurierung des Klosters Disentis an die Hand nahm. Im Bündner Lehrmittelstreit um 1900 setzte er sich erfolgreich gegen die kantonale Regierung durch: Das vom Kanton verordnete Lehrbuch ergänzte er in seinem Einflussbereich um «christlichen Gesinnungsstoff», der von einem Pater des Kloster Disentis verfasst wurde.

Der «Soziologe» Decurtins als Mitbegründer der Universität Fribourg

1889 war Caspar Decurtins an der klandestin erfolgten Gründung der Universität Fribourg beteiligt. Kurz nach der Eröffnung forderte Kaspar Decurtins die Errichtung eines Lehrstuhls für christliche Soziologie: «Aufgabe der internationalen Universität Freiburg soll es sein, die Staatswissenschaften anders zu orientieren. Die Errichtung eines Lehrstuhls für christliche Soziologie wird ein Ruhmesblatt Leos [Papst Leo XIII.] sein und wird Freiburg aufblühen lassen.» Die von ihren Gegnern und Anhängern «Soziologen» genannten Vordenker der katholischen Sozialbewegung setzten dem Liberalismus eine naturrechtlich begründete, christliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung entgegen. Sie standen an der Spitze einer Bewegung, die eine katholische Antwort auf Industrialisierung, Liberalismus und soziale Frage aufzeigte, und von der sie sich letztlich einen «christlichen Staat» erhofften.

Schulterschluss mit den Sozialisten

Als international anerkannter Sozialpolitiker und Wissenschaftler gelang Decurtins über den Arbeiterbund und das Arbeitersekretariat der Schulterschluss mit den Sozialisten (1887), ebenso mit der Bauernschaft als Gründungs- und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Bauernverbandes (1897–1909). Konservativ im Kultur- und Bildungsbereich, christlich motiviert sozial in der Wirtschaftssphäre baute er mit seinen Mitstreitern eine Allianz auf, die bis heute konstitutiv für das Verhältnis von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden sowie für den Schutz der Landwirtschaft ist.

Konservativer Verteidiger der ländlichen Demokratie

Gegen den dominanten Liberalismus und das Urbane verteidigte Decurtins die ländliche Demokratie, die Bauernschaft, das Gewerbe, das Handwerk, die Traditionen und mit ihr eine tief christliche, römisch-katholische Bildung und Kultur. Als Universalgelehrter hat er Wissensbestände in praktischer Absicht in die Gegenwart eingebracht und diese politisch umgesetzt. Decurtins und seine Mitstreiter waren konservative Revolutionäre, die den Verlierern des Sonderbundkrieges eine starke Stimme gaben und so dazu beitrugen, sie in den Bundesstaat zu integrieren.

In seiner Heimatgemeinde Trun erinnern eine 1924 erstellte Gedenktafel im Ehrenhof des Grauen Bundes sowie eine von Fiorenzo Abbondio geschaffene und 1955 aufgestellte Büste an den «Löwen von Truns», wie ihn sein Biograf Karl Fry nannte.

Quellen

  • Collenberg, Adolf (2009): Decurtins, Casper, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.05.2009, (abgerufen am 17.02.2021).
  • Fry, Karl (1949–52): Kaspar Decurtins, der Löwe von Truns, 2 Bde, Zürich.
  • Zürcher, Markus (1995): Unterbrochene Tradition. Die Anfänge der Soziologie in der Schweiz, Zürich.
  • Zürcher, Markus (2018): Anfänge der Soziologie in der Schweiz, in: Moebius, Stephan und Andrea Ploder (Hg.): Handbuch Geschichte der deutschsprachigen Soziologie, Bd. 1, S. 65–85, Wiesbaden.

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Autor Dr. Markus Zürcher
Dr. Markus Zürcher
Generalsekretär SAGW
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