Denkmal für die Opfer vom 9. November 1932 (GE)

Denkmal für die Opfer vom 9. November 1932 (GE):
«Nie wieder»

Erinnert an … die Opfer der Schiesserei vom 9. November 1932 in Genf

Eckdaten

Ort:Plaine de Plainpalais, 1200 Genf (GE)
Art:Ereignisdenkmal
Einweihung:1982
Grösse:n.a. - 5 Tonnen
Material:Granitblock

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Von Weitem erinnert er an einen der Hinkelsteine, die Obelix ausliefert. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Granitblock von fünf Tonnen zum Gedenken der Opfer der Schiesserei vom 9. November 1932 im Genfer Quartier Plainpalais. Die wenigen Sekunden, in denen Schüsse fielen, hinterliessen 13 Tote und 65 Verletzte. Eine blutige Episode, die den Höhepunkt der Konfrontation zwischen der extremen Linken und der extremen Rechten in der Schweiz bildet.

Ein beispielloses Massaker in der Schweizer Gegenwartsgeschichte

Das tragische Ereignis gliedert sich in den angespannten historischen Kontext der Dreissigerjahre ein, gezeichnet vom Aufstieg des Totalitarismus in Europa, der Weltwirtschaftskrise und einer hohen Arbeitslosigkeit. In Genf herrschte eine polarisierte Politik, in der sich zwei Blöcke mit unverhohlenem Hass gegenüberstehen: Auf der einen Seite die «Parti socialiste» von Léon Nicole und Jacques Dicker (Urgrossvater des Schriftstellers Joël Dicker), auf der anderen die Partei «Union nationale» von Georges Oltramare, angesiedelt in der extremen Rechten mit faschistischem Gedankengut. Nachdem die Union nationale in einer provokativen Anzeige angekündigt hatte, Léon Nicole und Jacques Dicker am 9. November 1932 in einem Saal im Quartier Plainpalais öffentlich den Prozess zu machen, verlange die sozialistische Partei, diese Versammlung der Union nationale zu verbieten. Der zuständige Justiz- und Polizeidirektor des Genfer Regierungsrats lehnte jedoch ab. Daraufhin beschliessen die Sozialisten, eine Gegendemonstration zu veranstalten. Aus Angst vor Ausschreitungen bittet der Regierungsrat die Armee um Unterstützung, worauf diese zur Verstärkung der Polizei unerfahrene Rekruten entsendet.

Eine unglückliche Verkettung von ungeschickten Befehlen, Missverständnissen und fehlkalkulierter militärischer Taktik angesichts einer antimilitaristischen Menschenmenge mündet in eine Tragödie. Auch wenn keine Einstimmigkeit zur exakten Ereignisabfolge und den Verantwortlichkeiten herrscht, so ist doch klar: Die unerfahrenen jungen Rekruten, in höchstem Alarmzustand, eröffneten das Feuer gegen die von Nicole angestachelten Gegendemonstrant*innen. Die Emotionen gingen hoch. Der Grossteil der Opfer waren einfache Passant*innen.

In einem Prozess vor den Bundesassisen im Mai 1933 wurden sieben Mitglieder der militanten Linken, die die Gegendemo mitorganisiert hatten – darunter Léon Nicole – des Aufruhrs schuldig gesprochen und zu vier bis sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Seitens Militär gab es keine juristischen Untersuchungen. Dennoch löste die Schiesserei eine Debatte über die Rolle der Armee bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aus.

Die Repression hatte zur Folge, dass sich die Linke noch enger um Nicole gruppierte. In Hinblick auf die Wahlen vom 23. November 1933 machten die Sozialisten aus der Schiesserei das Herzstück ihrer Kampagne, die von Erfolg gekrönt war: Vier der sieben gewählten Regierungsräte waren Sozialisten, womit Genf schweizweit über die erste mehrheitlich «rote» Regierung verfügte. Frisch aus dem Gefängnis entlassen, übernahm Léon Nicole die Ratspräsidentschaft und die Polizeidirektion. Und wurde so zum Nachfolger desjenigen, der ihn hinter Gitter gebracht hatte.

Ein nicht autorisiertes Mahnmal  

Anlässlich des 50. Jahrestages der Erschießung wollte die Genfer Linke 1982 ein Mahnmal errichten, um die Blutnacht anzuprangern und den Opfern zu gedenken. Die Stadt Genf lehnte dies ab, da sie befürchtete, dadurch alte Spannungen wieder aufflammen zu lassen und erneute Konfrontationen zu provozieren. So wurde der fünf Tonnen schwere Granitblock am 5. November 1982 von militanten Mitgliedern des Holzarbeiterverbands (SHAV) heimlich und ohne Genehmigung auf der Plaine de Plainpalais verlegt. Da sie kaum Mittel für die Schaffung einer Statue hatten, wählten sie einen großen Stein aus dem Steinbruch von Salève und transportierten ihn mit einem Kipplaster bis Plainpalais, wo sie ihn auf den Boden kippten. Die Aktion fand mitten am Tag statt. «Um so etwas zu tun, muss man bereit sein, aufs Ganze zu gehen», sagt Jacques Robert, damaliger SHAV-Gewerkschaftssekretär und Leiter der Aktion. Ihre Hartnäckigkeit hat sich ausbezahlt: Der Granitblock ist immer noch da, auch wenn er 2008 um einige Meter versetzt wurde. Im Jahr 2006 wurde an einer Seite eine Metalllaterne hinzugefügt.

Rehabilitierung von den Eidgenössischen Räten verweigert

2016 bittet die Genfer Regierung die Bundesversammlung um die Rehabilitierung der sieben Anführer der antifaschistischen Demonstration, die nach den Schüssen verurteilt worden waren. Unter der Bundeshauskuppel überzeugte dieses Anliegen aber nicht: Zuerst lehnte der Ständerat die Rehabilitierung ab, am 9. Mai 2019 war dann die Volkskammer an der Reihe und sagte mit 113 zu 54 Stimmen Nein. Die Mehrheit war der Meinung, dass das Urteil rechtskonform gewesen war: Die Demonstranten waren verurteilt worden, weil sie sich geweigert hatten, polizeiliche Anordnungen zu befolgen und nicht, weil sie demonstriert hatten. Eine Rehabilitierung würde die Befugnisse der Judikative untergraben. Die Linke sieht darin eine verpasste Chance, die Genfer mit ihrer Geschichte zu versöhnen. Diese Ablehnung auf Bundesebene wird einen Teil der Genfer Bevölkerung nicht daran hindern, zu jedem Jahrestag der Schiesserei am Fuss des Denkmals der Pflicht zur Erinnerung nachzukommen. «Jeden 1. Mai treffen wir uns morgens zu einer Rede neben dem Steinblock und jeden 9. November beleben wir die Erinnerung an dieses Ereignis wieder – getreu dem Ziel: 'plus jamais ça'», kommentiert Jacques Robert und bezieht sich dabei auf die Inschrift, die auf einer der Seiten des Denkmals eingraviert ist.

Quellen

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Autorin Fabienne Jan
Fabienne Jan
Wissenschaftliche Mitarbeiterin SAGW
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