Sen­ti­nel­le des Ran­giers / Fritz (JU)

Sen­ti­nel­le des Ran­giers / Fritz (JU):
Der ge­stürz­te Wach­pos­ten

Er­in­nert an… die Grenz­ver­tei­di­gung durch die Schwei­zer Armee im Ers­ten Welt­krieg

Eck­da­ten

Ort:2800 Dels­berg (JU) / Col des Ran­giers, 2952 La Ba­ro­che (JU)
Art:Kriegs­denk­mal
Ein­wei­hung:1924
Grös­se:4.5 Meter
Ma­te­ri­al:Gra­nit

Zum Denk­mal

Gleich zu Be­ginn eine klei­ne Vor­war­nung: Wer den gra­ni­te­nen Sol­da­ten am Ort sei­ner Wache be­su­chen will, kommt mehr als 30 Jahre zu spät. Die Sta­tue mit dem Über­na­men «le Fritz» steht seit 1989 nicht mehr auf dem Col des Ran­giers, dem 858 Meter hohen ju­ras­si­schen Pass zwi­schen Delémont und Por­ren­truy.

Ver­tei­di­ger der Neu­tra­li­tät…

Zwi­schen 1914 bis 1918 waren hier, nur we­ni­ge Ki­lo­me­ter ent­fernt von der deutsch-​französischen Front, An­ge­hö­ri­ge der Schwei­zer Armee zur Be­wa­chung der Lan­des­gren­zen sta­tio­niert. Um die Neu­tra­li­tät zu schüt­zen, soll­ten sie Ver­su­che der Kriegs­par­tei­en ver­ei­teln, die Front via Schwei­zer Ter­ri­to­ri­um zu um­ge­hen. Die­sen Sol­da­ten woll­te die Sta­tue ge­den­ken, die im Auf­trag des re­gio­na­len Frem­den­ver­kehrs­ver­eins von Neu­en­bur­ger Bild­hau­er Charles L’Éplat­te­nier ent­wor­fen und 1924 an­läss­lich des Zehn-​Jahre-Gedenktages der Mo­bil­ma­chung er­rich­tet wor­den war. In den dar­auf­fol­gen­den Jah­ren er­lang­te le Fritz über­re­gio­na­le Be­kannt­heit und zog zahl­rei­che Be­su­che­rIn­nen an. Wäh­rend des zwei­ten Ak­tiv­diensts der Schwei­zer Armee 1939– 945 wurde er zur na­tio­na­len Ikone.

… und Sym­bol der Un­ter­drü­ckung?

Ganz an­ders wurde der Gra­nit­sol­dat von den ju­ras­si­schen Se­pa­ra­tis­ten be­ur­teilt, als sich in der Nach­kriegs­zeit die «Ju­raf­ra­ge» zu­spitz­te: Die fran­zö­sisch­spra­chi­ge, mehr­heit­lich ka­tho­li­sche ju­ras­si­sche Min­der­heit fühl­te sich von der deutsch­spra­chi­gen, über­wie­gend pro­tes­tan­ti­schen Be­völ­ke­rungs­mehr­heit im Kan­ton Bern un­ter­drückt und dis­kri­mi­niert. Dies führ­te zu teil­wei­se hef­ti­gen Pro­tes­ten und ver­schaff­te der For­de­rung nach einem au­to­no­men Kan­ton Jura Auf­wind.

Mit ihrem stram­men, mar­tia­li­schen Aus­se­hen und dem Tscha­ko (mi­li­tä­ri­sche Kopf­be­de­ckung) er­in­ner­te die «Sen­ti­nel­le» (Wach­sol­dat) wohl an einen preus­si­schen Sol­da­ten – daher auch ihr Über­na­me «le Fritz». Dazu kam, dass die Mi­li­tär­füh­rung jah­re­lang von der deutsch­spra­chi­gen Schweiz und der preus­si­schen Tra­di­ti­on ge­prägt wor­den war. Ju­ras­si­sche Ak­ti­vis­ten stürz­ten le Fritz als «Sym­bol der Un­ter­drü­ckung» zwei­mal (1984 und 1989) vom So­ckel und zer­stör­ten ihn 1990 durch einen Brand­an­schlag. Ein wei­te­res «Denkmal-​Opfer» der Ju­raf­ra­ge war die 400-​jährige Justitia-​Figur auf dem Ge­rech­tig­keits­brun­nen in Bern. Sie er­litt eben­falls einen So­ckel­sturz, steht heute aber wie­der an ihrem an­ge­stamm­ten Platz.

Der har­sche Um­gang mit le Fritz war auch in pro­ju­ras­si­schen Krei­sen nicht un­um­strit­ten: So kri­ti­sier­te der ehe­ma­li­ge Di­rek­tor von Pro Jura, Fran­cis Erard, man habe sich «… den fal­schen Feind aus­ge­sucht, um sich gegen Bern auf­zu­leh­nen» (Swiss­in­fo.ch, 24.06.2004).

Le Fritz wan­dert (ver­mut­lich) ins Mu­se­um

Zwar schien es im 1978 ge­grün­de­ten Kan­ton Jura Be­stre­bun­gen zu geben, das Sol­da­ten­denk­mal wie­der­auf­zu­bau­en. Diese wur­den aber nie um­ge­setzt, trotz Druck auf Eid­ge­nös­si­scher Ebene. 1997 for­der­te ein Zür­cher SVP-​Nationalrat in einer In­ter­pel­la­ti­on vom Bun­des­rat Recht­fer­ti­gung für das ge­stürz­te Denk­mal und kri­ti­sier­te des­sen mut­wil­li­ge Zer­stö­rung. Nach­dem die Über­res­te von Le Fritz jah­re­lang in ver­schie­de­nen De­pots ver­staub­ten (zu­letzt in einem Han­gar in Dels­berg), sol­len sie bald wie­der zu sehen sein: und zwar in un­ver­än­dert zer­stör­tem Zu­stand im Mu­se­um vom Mont-​Repais in La Caque­rel­le, be­glei­tet von einer di­dak­ti­schen Aus­stel­lung. Das Pro­jekt ist Er­geb­nis einer his­to­ri­schen und so­zio­lo­gi­schen Auf­ar­bei­tung, die 2015 in­iti­iert wurde. Zur Rea­li­sie­rung feh­len der­zeit noch die fi­nan­zi­el­len Mit­tel.

Quel­len

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61%
wür­den das Denk­mal so las­sen.
39%
wür­den das Denk­mal ver­än­dern.
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