Henri Guisan (VD)

Henri Guisan (VD):
Das apokalyptische Pferd des Generals

Erinnert an… Henri Guisan (1874 – 1960), Chefkommandant der Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg

Eckdaten

Ort:Place du Général Guisan, 1006 Lausanne (VD)
Art:Personendenkmal
Einweihung:1967
Material:Bronze

Zum Denkmal

«Armer General, armes Pferd!», konnte man am 28. Juli 1966 in der Zeitung Le Courrier lesen, noch bevor das Denkmal überhaupt eingeweiht worden war. Es ging dabei nicht um die Frage, ob dieser Mann ein Denkmal verdiente, sondern darum, eine Statue zu finden, die seiner würdig war. Denn Henri Guisan war es gelungen, den Respekt aller zu gewinnen, vom Offizier bis zum Kriegsdienstverweigerer; sein Denkmal freilich stiess nicht auf die gleiche Zustimmung.

General Guisan starb am 7. April 1960 im Alter von 86 Jahren. Fünf Tage später verfolgte eine riesige Menschenmenge (nach Schätzungen etwa 300 000 Personen) schweigend den denkwürdigen Trauerzug durch Lausanne. Direkt hinter dem Leichenwagen folgte Kuer-Sus, das letzte Pferd des Generals, geführt von einem Pferdeknecht, mit traurig leerem Sattel. So trottete Kuer-Sus dem Konvoi mit Guisans Familie und all den Beamten und Soldaten voran. Das Bild hinterliess einen bleibenden Eindruck.

Ein General im Mantel hoch oben auf einer tanzenden Gazelle 

Nur wenige Monate nach Guisans Tod startete eine öffentliche Ausschreibung für die Errichtung eines Denkmals zu seinen Ehren. Nach zwei Wettbewerben, die zu keinem Resultat geführt hatten, wurde schliesslich das  Projekt des Zürcher Bildhauers Otto Charles Bänninger (1897–1973) für ein Reiterstandbild ausgewählt. Dieser Entscheid war umstritten, führte zu grossen Kontroversen und 1966 schliesslich zur Gründung eines Oppositionskomitees mit dem Namen «Mouvement national monument général Guisan».

In den Augen der Gegner war es undenkbar, die Statue in Ouchy, abseits des Stadtzentrums, aufzustellen. Vor allem aber kritisierten sie die Silhouette des Reittiers, das sie mit einer «tanzenden Gazelle» verglichen, sowie die Haltung des Generals: «Dieses Denkmal ist inakzeptabel. […] 1. Das Pferd könnte Vieles sein, aber ganz sicher nicht ein Pferd. Sein Aussehen und seine Proportionen sind die eines bei uns unbekannten apokalyptischen Sujets. 2. Der General ist in einer steifen Art und Weise platziert [...], die der natürlichen Manier, die ihn auszeichnete, absolut widerspricht [...]. 3. Der General steckt in einem Mantel. Nun wissen alle, die ihn kannten, ganz genau, dass der General nie einen Mantel trug, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen» (Le Courrier, 28. Juli 1966, Originalzitat französisch). Trotz der Empörung des «Mouvement national» wurde das Projekt des Zürcher Künstlers ausgeführt und das Denkmal am 27. Mai 1967 in Ouchy mit grossem Pomp eingeweiht.

Ambivalentes Pferd: Sinnbild der Macht in einem neutralen Land 

Die Neue Zürcher Zeitung verteidigte Otto Bänninger in einem Artikel vom 3. Juni 1967. Der Bildhauer habe seine Aufgabe perfekt erfüllt, lautete das Urteil. Es sei ihm gelungen, den General nahe am Betrachter, als Bürger unter anderen darzustellen und das Motiv des Reiterstandbildes an die schweizerische Besonderheit anzupassen. Bänninger habe es geschafft, den monumentalen Aspekt und die Allüre der Macht zu reduzieren, die üblicherweise mit dieser ikonographischen Tradition einhergingen, wie viele stolze Reiterstatuen in Städten im Ausland belegten.

Diese sehr schweizerische Darstellung eines Generals, der nahe bei den Leuten ist, hätte Guisan selbst vielleicht gefallen. Zumindest war er darauf bedacht, ein Image als natürlicher Führer zu pflegen, nicht ohne ein gewisses Prestige, aber vor allem den Werten seines Landes und seines Volkes verbunden, weit entfernt vom martialischen Archetyp einer ausschliesslich militärischen Autorität.

Guisan wusste wohl, dass ihm eines Tages ein Denkmal würde errichtet werden. Sein Fahrer André Weissbrodt erinnerte sich in der Zeit der Kontroverse an folgende Worte Guisans: «Sehen Sie, Weissbrodt, ich hoffe, dass der oder die Bildhauer das martialische Genre, ‘hoch zu Ross’, wie unsere Landsleute sagen, zu vermeiden wissen. Ich habe einer Armee, vor allem aber einem Volk gedient. Mögen den künftigen Generationen vor allem anderen die Opfer aller Schweizerinnen und Schweizer in Erinnerung bleiben» (Brief von André Weissbrodt, Militärfahrer, Lausanne, 30. März 1966, Originalzitat französisch).

Inzwischen hat sich das Auge zweifellos an dieses antilopenartige Tier, auf dem Guisan reitet, gewöhnt – und auch an die etwas steife Haltung des Generals im Mantel. Zudem hat der Kult um den Nationalhelden durch die historische Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs an Kraft eingebüsst. Guisan ist hin- und hergerissen zwischen Mythos und Realität. Am Ende passt dieses Pferd, das vielleicht gar keines ist, wohl besser zu ihm als man denkt.

Quellen

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64%
würden das Denkmal so lassen.
36%
würden das Denkmal verändern.
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Autorin Fabienne Jan
Fabienne Jan
Wissenschaftliche Mitarbeiterin SAGW
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