Helvetia auf Reisen (BS)

Helvetia auf Reisen (BS):
Von der alten Eidgenossenschaft bis hin zum Feminismus – wohin geht die Reise nun?

Erinnert an… Helvetia (Allegorie)  

Eckdaten

Ort:Unterer Rheinweg, 4000 Basel (BS)
Art:Allegorie
Einweihung:1980

Zum Denkmal

Sie sitzt da, auf dem Brückenpfeiler am unteren Rheinweg in Basel, und blickt in die Welt, in die Ferne, über die Grenze. Dabei sieht sie ganz anders aus als die Helvetia, die auf diversen Münzen oder Briefmarken abgebildet ist: Sie steht nicht aufrecht, wachsam und stolz, sondern sitzt vielmehr müde und nachdenklich auf ihrem Sockel. Speer, Schild, Mantel und Koffer hat sie hinter sich abgelegt. Helvetia steigt aus ihrem Alltag aus, und geht auf Reisen…

Von der alten Eidgenossenschaft und der Gründung der modernen Schweiz…

Als personifizierte Repräsentationsfigur der Schweiz hat Helvetia bereits eine lange Reise hinter sich. In der Variante mit Früchten und Käse veranschaulicht sie den geographischen Raum und verkörpert sie Reichtum und Produktivität begleitet. In der politischen Variante, dargestellt mit Waffen aller Art und Lorbeerkranz, steht sie für Werte wie Freiheit, Wachsamkeit, Eintracht und Unerschrockenheit.

Die «politische Helvetia» wurde bereits im 17. Jahrhundert als Allegorie der schweizerischen Staatlichkeit verwendet; in einer Zeit, in der die Repräsentationsformen der Eidgenossenschaft im Gegensatz zu denen der einzelnen eidgenössischen Stände noch schwach entwickelt waren. Später, im 18. Jahrhundert, wurde als Einzelfigur ins Bildzentrum gesetzt und somit aufgewertet. Dies geschah im Kontext des Republikanismus, welcher Frauenfiguren einen grossen Platz einräumte. Nach 1800 dienten die Darstellungen der Helvetia vermehrt der national-politischen Identifikationsstiftung in der breiten Bevölkerung, wodurch sie eine wachsende Bedeutung erlangte und auf alltägliche Gegenstände wie Münzen, Briefmarken sowie auf architektonische Werke gesetzt wurde. Zu den bekanntesten Beispielen zählen wohl der 2-Fränkler und das Bundeshaus in Bern.

… bis hin zum Feminismus

Auf ihrer langen Reise wurde Helvetia zu weit mehr als «nur» einem Symbol der nationalen Identität und Einigkeit. Durch ihre fehlende Biographie und semantische Leere lässt sich die Gestalt vielfältig wahrnehmen und mit Bedeutung füllen. So haben sie diverse gesellschaftliche Bewegungen für ihre Kritik am Status quo umgedeutet. Die Basler Version der reisenden Helvetia beschreibt die Schöpferin Bettina Eichin wie folgt: «Die Grundidee […] ist, dass die Helvetia, die ja auf dem 2-Fränkler ist, aus ihrem Alltag aussteigt und müde und nachdenklich auf den Sockel sitzt.» Damit will die Künstlerin auf das gesellschaftliche Frauenbild aufmerksam machen: «Die Skulptur zeigt zwei Eigenschaften, die man an den Frauen nicht schätzt. Müdigkeit und Nachdenklichkeit. Mir war es wichtig, das zu zeigen. Die Helvetia schaut Rheinabwärts in die Welt und über die Grenze.» Damit wurde die Statue ein Symbol der Frauen, welches anlässlich des Frauenstreiks im Jahr 2019 mit Plakaten und Tüchern eingedeckt wurde.

Wohin geht die Reise nun?

Die Skulptur spricht in verschiedener Hinsicht zu uns – als Individuen sowie als Gesellschaft – und trifft den Nerv der Zeit: Die Reise der Helvetia erinnert ohne Glorifizierung, sondern eher mit einer gewissen Müdigkeit daran, welchen Weg die Schweiz als politischer Staat und Gesellschaft hinter sich hat. Der Blick der Figur, der über die Grenze hinwegschweift, scheint darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, ab und zu «über den Tellerrand» zu blicken. Die sitzende, nachdenkliche Figur lädt in einer hektischen, globalisierten und technologiebeladenen Zeit dazu ein, durchzuatmen, eine Pause einzulegen, um zu überlegen: Wohin geht die Reise nun? Denn die nachdenkliche, müde und dennoch starke Helvetia zeigt uns: Angesichts der diversen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Gleichstellung und Chancengleichheit bleibt noch ein langer Weg zu gehen.

Quellen

Bewertungen

78%
würden das Denkmal so lassen.
22%
würden das Denkmal verändern.
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Schön
Wichtig
Fragwürdig

Kommentare (2)

  • Clara Soft
    am 17.03.2021
    Die sinnende Helvetia ist meine Begleiterin von Kindesbeinen an. Ich wäre sehr traurig, würde ihr etwas zustossen.
  • Frederic Giraut
    am 01.03.2021
    Merci pour cette brillante et subtile présentation
Autorin Lea Berger
Lea Berger
Wissenschaftliche Mitarbeiterin SAGW
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