Mocmoc (TG):
Wie weit darf Kunst gehen?
Eckdaten
Ort: | Bahnhofsplatz, 8590 Romanshorn (TG) |
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Art: | Allegorie |
Einweihung: | 2003 |
Grösse: | 1 x 1.5 x 4.5 m (inkl. Sockel) |
Material: | Polyester |
Zum Denkmal
Unübersehbar winkt das schwarz-gelbe Fabelwesen Mocmoc – halb Fisch, halb Einhorn – auf dem Bahnhofsplatz Romanshorn allen Reisenden zu. Das Künstlerduo COM&COM (Johannes M. Hedinger und Marcus Gossolt) lancierte die Figur 2003 als neues Wahrzeichen der Ortschaft am Bodensee. Sie schufen nicht nur ein Kunstwerk, sondern offerierten der Gemeinde ein ganzes «Package», bestehend aus der Plastik Mocmoc, einem Wandbild in der Bahnhofsunterführung, einer fingierten Gründungslegende von Romanshorn, einem Kinderfest, Merchandising-Artikeln, Webseite, Publikationen etc.
Heftige Reaktionen
Bereits wenige Monate nach der Einweihung spaltete Mocmoc die Romanshorner Bevölkerung und entfachte eine intensive Debatte um Kunst im öffentlichen Raum. Nicht nur war das Budget stark überschritten worden und es fehlte eine Baubewilligung. Sondern auch die sogenannte Gründungslegende von Romanshorn, auf die das Fabelwesen anspielt, war offenbar frei erfunden und Teil der Kunstaktion. Die Kernelemente dieser Geschichte sind der stotternde Fischerjunge Roman, der sich mit dem auf dem Grund des Bodensees lebenden Fabelwesen Mocmoc anfreundet. Mocmoc schenkt ihm ein Horn, damit er sein Dorf vor einer drohenden Feuersbrunst warnen kann. «Quelle» der Legende war ein Manuskript aus den 1930er-Jahren, das just in dem Moment im Gemeindearchiv «entdeckt» worden ist, als das Künstlerduo den Wettbewerb um die Bahnhofsplatzgestaltung gewonnen hatte. Es kam zu einem riesigen Presse-Echo sowie wütenden Protesten und Klagedrohungen gegen den Gemeinderat. Dieser entschied sich schliesslich dazu, die Bevölkerung über den Standort – vor oder hinter dem Bahnhof – abstimmen zu lassen. Eine Mehrheit sprach sich letztendlich für den ursprünglichen Standort vor dem Bahnhof aus.
Über den Umgang mit Identität
Ausgangspunkt der Kunstaktion ist die Suche nach Identität des zur Stadt gewordenen Grossdorfes Romanshorn mit seinen über 10 000 Einwohnern. Der «mokierende», ironisch-spielerische Umgang mit der eigenen Identität spiegelt sich in Mocmoc mit seiner Pokémon-Ästhetik und seinem Namen – ein Anagramm von COM&COM – sowie in einer Gründungslegende, die zu schön ist, um «wahr» zu sein. All dies lädt dazu ein, darüber nachzudenken, was Identität oder sogar Heimat ausmacht. Hinzu kommt die Auseinandersetzung im Kollektiv mit derlei Fragen. Dass dabei die Gemüter etwa ein Jahr lang besonders hoch wogten, war, so die Künstler, Teil des Plans.
Geschickt war sicherlich auch die Überlegung, den Kindern während des Entstehungsprozesses wie auch danach einen grossen Stellenwert einzuräumen. Für sie, die Mocmoc positiv beurteilten, kann das Fabelwesen tatsächlich zu einem neuen Wahrzeichen für Romanshorn werden. Auch im Alltag ist das Denkmal angekommen: Man trifft sich in Romanshorn beim Bahnhof offenbar beim Mocmoc, oder – je nach Standpunkt – bei der Gummiente oder beim Mocmöggli.
Quellen
- Com&Com (2004): Film «Mocmoc, das ungeliebte Denkmal», (44.21 Min., abgerufen am 12.02.2021).
- Hedinger, Johannes M. und Marcus Gossolt (2004): Kunst, öffentlicher Raum, Identität. Mocmoc, das ungeliebte Denkmal, Sulgen.
- Prix Visarte (2003): Mocmoc, (abgerufen am 06.02.2021).
- The Official Mocmoc Website, (abgerufen am 06.02.2021).
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Osco
am 07.09.2021Frederic Giraut
am 01.03.2021