Jean-Jacques Rousseau (GE)

Jean-Jacques Rousseau (GE):
Die Genfer Reue

Erinnert an… den berühmten Genfer Schriftsteller und Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778)

Eckdaten

Ort:Île Rousseau, 1200 Genf (GE)
Art:Personendenkmal
Einweihung:1835
Material:Bronze

Zum Denkmal

« Wie kann man die Bürger, die Einwohner, die Besucher von Genf davon überzeugen, dass das vom kleinen Rat am 19. Juni 1762 gefällte Urteil in keiner Weise eine Ablehnung der Person oder des Werkes von Jean-Jacques Rousseau war? Wie könnten wir ihnen mitteilen, dass der Schein trügen kann? » 

Mit dieser Frage umreisst François Jacob 2012 in einem Vortrag über die Beziehung zwischen Genf und Rousseau die Herausforderung, der sich die Rhonestadt im Jahr 1835 gegenübersah. Sie weihte in jenem Jahr die Statue für einen ihrer berühmtesten Bürger ein: Jean-Jacques Rousseau, geboren 1712 in einem Haus in der Grand Rue.

1830 entwarf der Genfer Bildhauer James Pradier das Bronzedenkmal. Anlässlich des 300. Geburtstags von Rousseau im Jahr 2012 wurde die Statue renoviert und neu ausgerichtet in Richtung Genfersee. Sie stellt den Autor sitzend dar, mit Stift in der Hand in einem grossen Sessel, sichtlich konzentriert auf das Verfassen eines Textes. Unter dem Sessel steht ein Stapel grosser Bücher – wohl eine Metapher für die Gedanken und Überlegungen, die ihrem Urheber im Laufe seines Lebens viel Leid und nach seinem Tod viel Ruhm eingebracht hatten.

Restaurierung eines Bürgers mit beschädigtem Ruf

Das Denkmal wurde 1835 auf einer kleinen Insel an der Rhône in der Nähe der heutigen Mont-Blanc-Brücke aufgestellt, die zu diesem Anlass in «Île Rousseau» umbenannt wurde. Für Genf war die Einweihung der erste Schritt in einem langen Prozess der Anerkennung des Denkers und seines Werks. Die verschiedenen Feierlichkeiten und Aktivitäten zum hundertsten Jahrestag seines Todes 1878 vervollständigten diese Auseinandersetzung und erneuerten seine Reputation ebenso wie seine Bürgerschaft. 

Bruch zwischen Rousseau und Genf

Nach dem literarischen Erfolg der «Nouvelle Héloïse» und einigen heftigen Debatten in Frankreich aufgrund seiner Ansichten (Rousseau zerstritt sich insbesondere mit Diderot, d'Alembert und Voltaire, der intellektuellen Elite des 18. Jahrhunderts in Frankreich), veröffentlichte Rousseau 1762«Emile oder Von der Erziehung»– ein Erziehungshandbuch, das sich gegen die Gebote seiner Zeit richtete – und im selben Jahr seinen berühmtes Werk «Vom Gesellschaftsvertrag», in dem er eine tiefgründige und kritische politische Reflexion entwickelte, inspiriert von seiner Heimatstadt Genf. Obwohl seine Gedanken später einen bemerkenswerten Einfluss hatten, sollten beide Werke (unter anderem) die städtische Obrigkeit auf den Plan rufen, die sie zur öffentlichen Zerstörung verurteilte. Verletzt gab Rousseau seine Staatsbürgerschaft ab und nährte fortan ein Gefühl tiefer Ungerechtigkeit, vermischt mit dem Eindruck, nie wirklich verstanden worden zu sein. 

Die «Genfer Reue»

Rousseau führte ein Leben auf Wanderschaft und in Armut. (Er erzählt davon in seinen «Bekenntnissen».) Die majestätische Sakralisierung in Bronze mag deshalb überraschend erscheinen. In Anlehnung an das Zitat von François Jacob liest sich die Statue wie eine öffentliche Anerkennung der Grösse seines Werkes, seines Denkens und seiner Person, welche die Stadt ihm mit der öffentlichen Verurteilung seiner Werke entzogen hatte. Es liest sich auch wie eine «Genfer Reue», um Jacobs Worte zu gebrauchen, ein «mea culpa» gerichtet an all jene, die Rousseaus Werke lasen und in ihm einen grossen Mann sahen, den man ernst nehmen sollte. Es liest sich auch wie ein Ehrenbürgerrecht, ein endlich gewährter Platz im öffentlichen Raum, eine ewige Heimstätte am Geburtsort des Erinnerten, der nie wieder einen Fuss nach Genf setzen wollte.

Auf seiner Genfer Insel, abseits der Stadt, so wie auch er zu Lebzeiten am Rande der Gesellschaft stand, schmunzelt man über die ernste, ruhige und gelassene Ausstrahlung des bronzenen Rousseaus; denn seine Werke sind aufrührerisch und bewohnt von einer beunruhigenden Vitalität des Geistes – so verzweifelt wie brillant.

Quellen

  • Archives de l’état de Genève: Ausstellung «Rousseau genevois», 21.02.–15.09. 2012, (besucht am 12.02.2021).
  • Grosrichard, Alain (2002) : Présentation, in: Rousseau, Jean-Jacques: Les Confessions, livres I à VI, Paris, S. 1–34.
  • Jacob, François (2012): Intervention, conférence Genève et Rousseau, Université de Genève, 12.12. 2012, (besucht am 12.02.2021).
  • Starobinski, Jean (1969): Introduction, in: Rousseau, Jean-Jacques: Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes, Paris, S. 9-37.

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Kommentare (1)

  • Projer
    am 25.03.2021
    Sehr schöner Text! Wow!!
Autorin Elodie Lopez
Elodie Lopez
Wissenschaftliche Mitarbeiterin SAGW
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