«Brahmsrösi» (BE)
Begründung
Wie viele Statuen vom Bildhauer Hermann Hubacher, die ich noch aus meiner Kindheit in Zürich kenne, ist auch sie weiblich, nackt und namenlos*. Doch hier an dieser Stelle steht die lauschende Mädchenfigur für einen deutschen Komponisten, Pianisten und Dirigenten aus dem 19. Jahrhundert ein. Ganz normal, oder?
Es konnte nicht ein Klavier, Dirigentenstab, Musiknote oder Johannes Brahms selbst sein, nein, dies wäre alles zu simpel gewesen. Es musste ein entblösster Mädchenkörper sein, damit man diesen wichtigen Mann und seine Musik in alle Ewigkeit nicht vergisst. In ihr sehe ich, als junge Frau im Jahre 2021, eine Frauendarstellung, wie sie in der Kunst vom weissen, gebildeten und überlegenen Mann geschaffen und in der Gesellschaft toleriert wird. Wäre das «Brahmsrösi» aus Haut und Knochen, würde man sie am Brahms-Quai für verrückt halten, die Polizei wäre kurzerhand alarmiert. Frau Schweizer, die an ihrem morgendlichen Spaziergang davon Wind bekommt, ist ausser sich: «So öppis isch doch unmöglich.» Fakt ist, dass für die berühmten Werken vom Komponisten Johannes Brahms ein entblösster Mädchenkörper objektiviert wurde.
Die Neuinszenierung von «Brahmsrösi» am Brahms-Quai beinhaltet eine zweite Statue, die ein weiteres «Brahmsrösi» zeigt, jedoch diesmal wortwörtlich gemeint, eine Rose in einer Vase. Ein richtiges Objekt neben einer Objektifizierung. Beide Statuen werden denselben Namen tragen und damit eine Anspielung auf die Problematik der Objektifizierung der Frau in unserer Gesellschaft machen. Diese liebgemeinte Irritation wird die Frage aufwerfen: Was ist nun ein Objekt? In Zukunft wäre es ganz nett, wenn der durch und durch übersexualisierte Frauenkörper nicht willkürlich mit Produkten, Dienstleistungen, oder seien es Denkmäler, in Verbindung gebracht wird.
*hier wird eine Differenzierung gemacht zwischen Namen wie «Hermine Spies» und objektive Umschreibung wie «Die lauschende Mädchenfigur»